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„Das gemeinsame Zeugnis wird gehört“

Ökumene im Erzbistum Bamberg

Bamberg – Die Einheit der Christen ist das Ziel der Ökumene. Wie er in Zeiten der Corona-Pandemie Ökumene erlebt und gestaltet – darüber spricht der neue Ökumenereferent Professor Dr. Elmar Koziel im Heinrichsblatt-Interview.

Herr Professor Dr. Koziel, wie war Ihr Start als Ökumenereferent des Erzbistums Bamberg?
Koziel: Der Anfang war durch die Beschränkungen infolge der Corona-Pandemie geprägt. Es war schwierig, persönliche Kontakte zu knüpfen. Ich konnte aber an Online-Konferenzen teilnehmen und etliche Akteure auf diesem Weg kennenlernen. Dabei hatte ich einen Vorteil: Durch meine mehrjährige Zugehörigkeit zur Ökumene-Kommission des Erzbistums Bamberg kannte ich bereits einige Teilnehmer.

Ökumene meint das Bemühen um die Einheit der christlichen Konfessionen. Warum ist das Streben nach Einheit so wichtig?
Koziel: Einmal, weil das Neue Testament selbst allen Christen das Bemühen um Einheit mit auf den Weg gibt. Und dann auch, weil es das christliche Zeugnis ganz praktisch stärkt. Die Ökumene lebt von den gemeinsamen Überzeugungen, die alle Christen verbinden: Gott, Jesus Christus, Heiliger Geist, Nächstenliebe, Würde des Menschen, Frieden statt Gewalt, Bewahrung der Schöpfung. Wenn die Kirchen diesen Glauben und diese Werte gemeinsam in die Gesellschaft einbringen und so ihren Beitrag leisten für eine lebenswerte Welt, ist das ein Zeugnis, das gehört wird.

Gibt es einen ökumenischen Hauptpartner für das Erzbistum Bamberg?
Koziel: Ja, was die bilaterale Ökumene anbelangt, ist unser Hauptpartner die evangelisch-lutherische Kirche. Weil das Gebiet des Erzbistums Bamberg eine große Schnittmenge zum Kirchenkreis Bayreuth aufweist, ist hier sicher an vorderster Stelle Regionalbischöfin Dr. Dorothea Greiner zu nennen. Mit dem Kirchenkreis Bayreuth besteht eine ständige Kontaktgruppe mit Pfarrern beider Konfessionen. Sie beraten über Fragen der Ökumene vor Ort. Außerdem bestehen regelmäßige Kontakte zur Regionalbischöfin des Kirchenkreises Nürnberg, Elisabeth Hann von Weyhern, und zur Regional­bischöfin des Kirchenkreises ­Ansbach-Würzburg, Gisela Bornowski.

Welche konkreten Ergebnisse hat die evangelisch-katholische Kooperation schon erbracht?

Koziel: Grundsätzlich wird man die vielen guten Kontakte hervorheben, die viele katholische Gemeinden zu den evangelischen Kirchengemeinden in ihrer Nähe pflegen. Über die Jahre haben sich auf lokaler Ebene vielfältige Kooperationen ergeben. Der heutige Stand der ökumenischen Beziehungen ruht hier auf jahrzehntelangen Vorarbeiten, die durch meinen Vor-Vorgänger Dr. Gerhard Boß begründet wurden, und dann durch seinen Nachfolger, Prof. Dr. Wolfgang Klausnitzer, zusammen mit ihren jeweiligen Mitarbeitern weitergeführt wurden. Nochmals erwähnen wird man hier ebenso den Beitrag der Ökumene-Kommission des Erzbistums sowie den Sachausschuss Ökumene des Diözesanrats der Katholiken. Eine interessante Initiative der letzten Jahre, die bis heute bei beiden Konfessionen großen Anklang findet, war die Etablierung von Ökumenischen Alltagsexerzitien in der Fastenzeit: Die in Zusammenarbeit mit dem Kirchenkreis Bayreuth jährlich neu erstellten Handreichungen sind die Grundlage für die zahlreichen Gruppen, die sich dazu in den Pfarreien bilden. Überhaupt sind es gerade lokale oder auch einmal regionale Aktionen, die das Miteinander fördern: Neben den gut eingeführten ökumenischen Gottesdiensten zu unterschiedlichen Anlässen gibt es inzwischen gemeinsame Prozessionen und sogar Wallfahrten, so etwa dekanatsübergreifend im Raum Pegnitz-Auerbach. Übrigens habe ich auch in meinem weiteren Tätigkeitsfeld, der Bildungsarbeit in Vierzehnheiligen, von Anfang an bei ökumenischen Aufgaben mitgewirkt. Hier gibt es zum Beispiel einen ökumenischen Studientag für hauptamtliche Mitarbeiter beider Konfessionen in Seelsorge und Schuldienst. Er findet einmal im Jahr statt. Der nächste Studientag ist für den 18. Februar 2022 zum Thema Krisen-Seelsorge geplant. Referenten sind Prof. Traugott Roser von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster und Dr. Corinna Paeth, Leiterin des Recollectio-Hauses in Münsterschwarzach. Das wird ein spannender Tag mit vielen interkonfessionellen Begegnungen, auf die ich mich schon sehr freue.

 

Gibt es ein künftiges ökumenisches Projekt, in das Sie sich einbringen wollen?
Koziel: Der Evangelische Kirchentag 2023 in Nürnberg wird für uns ein solches Projekt sein. Er will bewusst ökumenische Akzente setzen und auch das Erzbistum wird daran mitwirken. Daneben möchte ich gerne auch selbst durch Vorträge, Kurse und Veranstaltungen die gelebte ­Ökumene fördern. Hier gleich nochmals ein Beispiel aus Vierzehnheiligen, wo wir im Jahr des Reformationsgedenkens 2017, wiederum zusammen, mit dem Kirchenkreis Bayreuth zu einem Ökumenischen Ehefest mit sage und schreibe 350 Paaren (also 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmern) zusammengekommen sind.

 

Es gibt ja weit mehr christliche Konfessionen als die römisch-katholische und evangelisch-lutherische. Bezieht das Erzbistum Bamberg auch andere Konfessionen in den ökumenischen Dialog ein?
Koziel: Natürlich, wenn wir so den Blick weiten, bewegen wir uns auf dem Feld der multilateralen Ökumene. Seit kurzem bin ich das katholische Vorstandsmitglied in der „Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Bayern“ und werde nun auf dieser Ebene erleben, welche Vielfalt die konfessionelle Landschaft annehmen kann. Einiges davon habe ich in anderer Funktion schon in den zurückliegenden Jahren mitbekommen. Aus katholischer Sicht sind sicher besonders die Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen und zur anglikanischen Kirche hervorzuheben, auch wenn diese Kirchen hierzulande ungleich weniger Mitglieder haben, als das für die evangelisch-lutherische Seite gilt. Mit der anglikanischen Diözese Chichester sind wir gemeinsam mit dem Kirchenkreis Bayreuth und der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg über die sogenannte „Coburg-Konferenz“ verbunden: eine langjährige und gerade in dieser Konstellation sehr wertvolle Initiative. Dieses Jahr hätte unser regelmäßiges Treffen in Bamberg stattgefunden. Leider musste es wegen Corona auf nächstes Jahr verschoben werden.

 
Sind denn Konfessionen heute noch wichtig?
Koziel: Das ist die Preisfrage der Ökumene! Ich habe hier ganz unterschiedliche Beobachtungen gemacht. Viele junge Menschen kennen ökumenische Schulgottesdienste, ihr Freundeskreis ist selbstverständlich gemischt, da spielen Konfessionen kaum eine Rolle. Es gibt aber auch einen gegenläufigen Trend. Hier verfestigen sich vor allem bei Älteren nach wie vor Stereotype, wie zum Beispiel die Meinung: „Der evangelische Gottesdienst ist mir zu wortlastig.“ Es wird dann gar nicht bedacht, dass man ein einmal getroffenes Urteil nicht verallgemeinern sollte und wie sehr da – auf beiden Seiten – manches auch im Fluss ist. Es bleibt abzuwarten, welche Rolle die konfessionelle Prägung in Zukunft spielt. Sollte der Religionsunterricht in ­Zukunft ökumenisch stattfinden? Koziel: Die beiden großen Kirchen in Deutschland wollen am konfessionellen Religionsunterricht festhalten. Aber er soll konfessionssensibel gestaltet werden. Das lässt Kooperationen in begrenztem Umfang zu, zum Beispiel den Lehrer-Tausch für bestimmte Schulstunden, um gleichsam aus erster Hand Informationen über die andere Konfession zu erhalten. Wir müssen aber auch eines bedenken: Solange Kirche in Form von Konfessionen organisiert ist, kann es nicht genügen, dass junge Menschen sich allgemein als Christen fühlen und sich oberhalb der konfessionellen Ebene verorten; Sie müssen schon auch in ihrer jeweiligen Konfession eine reale Heimat finden!

 

Wie steht es um das gemeinsame Abendmahl von Katholiken und ­Protestanten?
Koziel: Eine katholisch-evangelische Theologengruppe hat das Papier „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ erarbeitet, es Ende 2019 vorgestellt und es auch der Deutschen Bischofskonferenz zur Diskussion vorgelegt. Dieses Papier empfiehlt, das evangelische Abendmahl und die katholische Eucharistie als zwei grundsätzlich legitime Ausgestaltungen der von Jesus gestifteten Feier zu sehen: Schon in dieser These liegt eine große Brisanz! Auf dieser Basis, so die weitere Empfehlung, könne es eine Möglichkeit geben, an der Eucharistie beziehungsweise am Abendmahl der jeweils anderen Konfession teilzunehmen. Bis jetzt waren die Standpunkte auf katholischer und evangelischer Seite immer ­unterschiedlich: Gemeinsam Abendmahl/Eucharistie zu feiern, ist aus Sicht der evangelischen Kirche ein Schritt, mit dem man sich dem Ziel der Einheit annähert. Die katholische Kirche sieht das umgekehrt – gemeinsam Mahl halten kann man erst, wenn vorher Einheit besteht. Diese unterschiedlichen Positionen gibt es immer noch, aber auch viel Annäherung. Die Debatte in der Theologie, in den Kirchen und auch mit Rom ist gerade in vollem Gang.

 
Welche Signale gibt es in dieser ­Angelegenheit?
Koziel: Natürlich wurde diese Frage im Vorfeld des jüngsten Ökumenischen Kirchentags gestellt. Rom sieht hier aber noch erheblichen Klärungsbedarf. Im Umfeld dieses Ökumenischen Kirchentags gab es gegenseitige Einladungen in die Gottesdienste, aber katholischerseits ohne allgemeine Einladung an Mitglieder anderer Konfessionen, dabei zugleich zur Kommunion zu gehen. Wenn man sich die Brisanz der These vorhin noch einmal vor Augen führt, wird man in Besuch und Mitfeier des Abendmahls-/ Eucharistie-Gottesdienstes der jeweils anderen Konfession auch dann schon eine große Errungenschaft sehen, wenn sie (nach den derzeitigen katholischen Maßgaben) nicht auch mit dem Kommunionempfang verknüpft ist. Wir sind eben bei anderen gern gesehene Gäste und umgekehrt. Und vor allem, wir erkennen wechselweise an, dass wir alle wirklich dem einen Herrn dienen. Das ist doch im Blick auf die Gegensätze früherer Jahrhunderte ein Anlass zur Hoffnung!

 

Wie wirkt sich die Neustrukturierung des Bistums in 35 Seelsorgeeinheiten auf die Ökumene aus? Gibt es noch Kapazitäten für Ökumene?
Koziel: Man wird abwarten müssen, wie sich das kirchliche Leben in den neuen Einheiten einspielt. Aber dass dabei auch die Ökumene ihren Platz finden wird, ist eine dringende Bitte und ich denke, es kann gar nicht anders sein! Das Ökumene-Referat hat in diesem Frühjahr eigens eine Handreichung für die neuen Seelsorgebereiche aufgelegt, um die Bedeutung der ökumenischen Beziehungen vor Ort zu betonen und dafür Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Das Heft ist übrigens selbst ein Zeichen gelingender Ökumene, denn es wurde auf gemeinsame Anregung von Erzbischof Dr. Ludwig Schick und Regionalbischöfin Dr. Dorothea Greiner ausgearbeitet. Eine Kurz- und Langversion können auf unserer Homepage unter https://oekumenereferat.erzbistum-bamberg.de/grundlagendokumente-zur-oekumene abgerufen werden.

 

Wie stellen Sie sich Ökumene in ­Zukunft vor?
Koziel: Meine Überzeugung ist: Was in der ökumenischen Bewegung – auch in unserem Erzbistum – bisher erreicht wurde, bleibt nur erreicht, wenn es auch jede neue Generation zu ihrer eigenen Sache macht. Und: Allgemeine Bekenntnisse zur Ökumene sind nur so viel wert, wie sie von den vielen Einzelnen und den jeweiligen Gemeinden vor Ort mit Leben gefüllt werden.

Autor: Gertrud Pechmann