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Theologische Aussage statt Schmähung

Links oben die siegreich gekrönte Ecclesia, rechts Synagoga mit Augenbinde und zerbrochenem Stab: Das Bildprogramm am Fürstenportal des Bamberger Kaiserdoms spiegelt das schwierige christlich-jüdische Verhältnis.            Foto: buc
Links oben die siegreich gekrönte Ecclesia, rechts Synagoga mit Augenbinde und zerbrochenem Stab: Das Bildprogramm am Fürstenportal des Bamberger Kaiserdoms spiegelt das schwierige christlich-jüdische Verhältnis. Foto: buc

Bamberg (buc) – Vieles wird als Fakt dargestellt, was noch kein Fakt ist“: Birgit Kastner wundert sich über aktuelle Medienberichte zum brisanten Bamberger Thema Ecclesia und Synagoga und bemüht sich um Richtigstellung. Die Hauptabteilungsleiterin Kunst und Kultur im Erzbischöflichen Ordinariat steht einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe vor, die nach der im vergangenen Jahr wieder aufgeflammten Diskussion um die mittelalterlichen Kunstwerke am und im Kaiserdom berufen wurde und inzwischen einen Zehn-Punkte-Plan erarbeitet hat.
Aus diesem Papier zitierte jüngst eine Nachrichtenagentur – und stellte die darin unterbreiteten Vorschläge als bereits beschlossen dar. Dabei liegt die letzte Entscheidung nicht bei den Fachleuten, sondern beim Domkapitel als Eigentümer der Kathedrale. Das geistliche Gremium hat noch keine Beschlüsse gefasst, etwa zur angedachten Beschilderung mittels einer Bodenplatte und einer Informationsstele, um die Kunstwerke historisch zu erläutern. Kastner spricht von einer „Absichtserklärung“, der noch ein größerer Abstimmungsprozess folgen müsse.
Botschaft aus dem Mittelalter
Worum geht es? Die berühmten Sandsteinfiguren der Ecclesia und der Synagoga sind Teil eines theologischen Bildprogramms, das am Fürstenportal des Doms im frühen 13. Jahrhundert ins Werk gesetzt wurde. Mittelalterlicher Theologie folgend, stellte man das Christentum als siegreich gekrönte Ecclesia dar, das Judentum aber mit zerbrochenem Stab und Augenbinde. Die beiden Originalfiguren befinden sich seit 1936 aus konservatorischen Gründen im Inneren der Kathedrale, am Portal draußen sind seit 2002 Kopien.
Die Darstellung der Synagoga als Ausdruck des blind-verstockten Judentums wird heute mit Blick auf die fatale Geschichte des Antisemitismus, die im Holocaust mündete, wesentlich stärker problematisiert als in früheren Zeiten. „Wir sehen unsere Denkmäler mit heutigen Augen“, sagt Birgit Kastner. Sie verweist aber darauf, dass es sich in Bamberg im Gegensatz etwa zur „Judensau“ an der Wittenberger Stadtkirche – die den Anlass für aktuelle Berichterstattungen bot – eben nicht um eine antisemitische Schmähskulptur handelt.
Sondern, so die Kunsthistorikerin, um eine theologisch motivierte Personifikation des Judentums: „Synagoga ist Teil eines heilsgeschichtlichen Portalprogramms.“ Kastner macht überdies darauf aufmerksam, dass hier im Mittelalter keine öffentliche Herabsetzung des Judentums beabsichtigt war: Der Bamberger Domplatz sei über Jahrhunderte hinweg ein geschlossener Bezirk, die Domburg, gewesen. Das Fürstenportal war ausschließlich für den Bischof zugänglich; erst im 18. Jahrhundert sei der Platz zur Stadt hin geöffnet worden. „Das sind ganz andere Ausgangsbedingungen als bei Schmähfiguren, etwa in Regensburg, wo der Dom in der Stadtmitte steht und die Sau ins Judenviertel zeigt“, erläutert die Ordinariatsrätin.
Egal wie man es deutet, das Thema Antisemitismus schwingt in der Diskussion um Ecclesia und Synagoga in Bamberg immer mit. Was sieht der Zehn-Punkte-Plan der Kommission, zu der renommierte Fachleute gehören, nun konkret vor? Die Runde war sich einig, dass Originale und Kopien an Ort und Stelle bleiben, anstatt ins Museum zu wandern. Am Fürstenportal soll es eine Informationsstele geben, die in einem kurzen Text das dortige Bildprogramm erläutert. Im Inneren des Doms könnte beispielsweise eine Bodenplatte mit Zitaten und Denkimpulsen eingesetzt werden. Angeregt wird ferner eine mehrsprachige Dom-App, die den Besuchern Bild-, Text- und Audiomaterial zu Ecclesia und Synagoga bereitstellt. Das Führungs- und Vortragsangebot im Dom soll ausgeweitet werden, das benachbarte Diözesanmuseum soll einen Informationsbereich zum christlich-jüdischen Verhältnis einrichten.
Domkapitel verantwortlich
Die Vorschläge der Kommission seien dem Domkapitel bereits vorgelegt worden, sagt Birgit Kastner, und „wohlwollend zur Kenntnis genommen worden“. Eine konkrete Abstimmung auch mit Erzbischof Ludwig Schick steht aber noch aus. Schick hatte sich in der Vergangenheit immer wieder dafür eingesetzt, die kunstgeschichtlich herausragenden Figuren in der Kathedrale zu belassen. Bei einer prominent besetzten Podiumsdiskussion im vergangenen Jahr in Bamberg warb der Erzbischof zugleich für eine historische Einordnung und entsprechende didaktische Angebote – einig war er sich dabei mit dem Präsidenten des Zen­tralrats der Juden, Josef Schuster.
Nach den Worten von Birgit Kastner sollen die Pläne in den nächsten Jahren Schritt für Schritt umgesetzt werden. Manches gehe langsam voran, weil die Rahmenbedingungen aktuell schwierig seien. Die Hauptabteilungsleiterin ist aber zum Beispiel froh, dass die Rabbinerin Antje Yael Deusel und Maria S. Becker von der örtlichen liberalen jüdischen Gemeinde Bereitschaft zur Mitwirkung an den O-Tönen der Dom-App zur Syna­goga signalisiert haben. Kastner selbst hat einen längeren wissenschaftlichen Aufsatz zu Ecclesia und Synagoga in Bamberg verfasst. Er erscheint demnächst unter dem Titel „Difficult Heritage“ (Schwieriges Erbe) in einer Sonderausgabe des renommierten britischen „Sculpture Journal“.