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„Uns kennen fast nur die, die sich beschweren“

Zufallsbegegnung: Auf dem Bamberger Maximiliansplatz, nur ein paar Schritte von seinem Büro in der Universität entfernt, trifft Godehard Ruppert auf das örtliche BR-Team.           Foto: buc
Zufallsbegegnung: Auf dem Bamberger Maximiliansplatz, nur ein paar Schritte von seinem Büro in der Universität entfernt, trifft Godehard Ruppert auf das örtliche BR-Team. Foto: buc

Bamberg (buc) – Er wacht über Programm, Ausgewogenheit und Finanzen beim Bayerischen Rundfunk (BR): Der Rundfunkrat ist ein Gremium, das kaum jemand gut kennt, das sich aber in seiner Bedeutung kaum hoch genug einschätzen lässt. Seit Anfang Mai steht Godehard Ruppert an der Spitze des Rats. Der Religionspädagoge und langjährige Präsident der Universität Bamberg folgt auf Prälat Lorenz Wolf, dessen Amtszeit unter brisanten Umständen endete. Wolf wurde im Januar im Münchner Missbrauchsgutachten schwer belastet und ließ zunächst alle Ämter ruhen. Seinen Rückzug von der Spitze des BR-Rundfunkrats hatte der Geistliche aber schon im vorigen Sommer angekündigt.
Ruppert war bisher Wolfs Stellvertreter, nun leitet er gemeinsam mit Simone Fleischmann (Lehrerverbände) und der Gewerkschafterin Luise Klemens das 50-köpfige Gremium. Der Hochschulmanager ist ein Mann der klaren Worte und nimmt sich mit Blick auf die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen kein Blatt vor den Mund: „Wir haben drei große Herausforderungen“, sagt Ruppert. „Erstens müssen wir auf die geänderte Nutzersituation eingehen.“ Heutige Nutzer seien viel weniger linear unterwegs – und hätten dennoch großes Interesse an den Öffentlich-Rechtlichen, was etwa die Zugriffszahlen der „Tagesschau“ zeigten.
Zweitens müsse der Rundfunkrat dafür sorgen, „dass es freien Journalismus gibt, dass er nicht gegängelt wird“. Wenn man das nicht schaffe, so der Vorsitzende, löse man auch das dritte Problem nicht, Stichwort Beiträge: „Wenn Menschen nicht verstehen, wie wertvoll so ein Rundfunk ist, werden wir auch die Finanzfrage nicht lösen können, die sich aufgestaut hat.“
Mit Blick auf die Causa Wolf spricht er von einer „belastenden und schwierigen Situation“, in die der Rundfunkrat sehr schnell und überraschend gekommen sei. Gemessen daran fand sich eine für alle Seiten gute Lösung, indem der belastete Prälat sein Amt zunächst ruhen und sich von Ruppert vertreten ließ – der ohnehin als Nachfolger gehandelt wurde. Dass es dann öffentlich hieß, ein Theologe folge auf einen Theologen, hat den 68-Jährigen durchaus geärgert: Ruppert legt Wert darauf, im Rundfunkrat, dem er seit 2010 angehört, nie als Kirchenvertreter agiert und wahrgenommen worden zu sein.
Streit mit dem Bischof
Vielmehr hat der gebürtige Bonner, der von 2000 bis 2020 an der Spitze der Bamberger Uni stand und bundesweit als Berater in Hochschulfragen geschätzt wird, ein durchaus distanziertes Verhältnis zur Amtskirche. „Ich glaube nicht, dass ich prädestiniert bin, Kirche zu vertreten – oder dass Kirche sich von mir vertreten lassen möchte.“ Ruppert berichtet von Auseinandersetzungen mit seinem einstigen Diözesanbischof Franz Hengsbach in Essen; und in seiner Bamberger Anfangszeit gab es gegen den habilitieren Erziehungswissenschaftler ein Beanstandungsverfahren bei der Glaubenskongregation in Rom.
Der Rundfunkrat trifft sich, nun unter Rupperts Leitung, alle paar Wochen in großer Runde, darüber hinaus gibt es drei Ausschüsse, die ebenso oft tagen. „Wir sind nicht die Operative, sondern die Aufsicht“, sagt der neue Chef mit Bestimmtheit. „Wir können Dinge einfordern von den Redaktionen, aber der Journalismus muss frei bleiben.“ Ausgewogenheit heißt für Ruppert zu sehen, wie der Freistaat im BR-Fernsehen und Hörfunk dargestellt wird, für die Menschen in Bayern und in Deutschland, auch regional: „Die Franken sagen oft, sie kommen zu kurz, und das nicht immer zu Unrecht.“ Die alte Pilatusfrage nach der Wahrheit lasse sich zwar nicht immer eindeutig beantworten, „aber es gibt ein Streben nach ihr“.
Mit Blick auf die Landtagswahl im kommenden Jahr werden die BR-Aufseher wieder stärker gefordert sein, der Rundfunkrat lässt sich vorab informieren, was an Berichterstattung zur Wahl geplant ist, und beobachtet dann die Sendungen. „Wir sehen uns zum Teil minutiös an, wer was gemacht und berichtet hat“, sagt Godehard Ruppert. Er will auch das Bemühen des Rats, selbst stärker in die Öffentlichkeit zu gehen, vorantreiben. Den Zusehern und Zuhörern soll transparenter gemacht werden, was das Gremium tut: „Uns kennen fast nur die, die sich beschweren“, sagt der Vorsitzende.
Kann man noch unbefangen fernsehen oder Radio hören, wenn man dem BR-Rundfunkrat angehört, oder hat man ständig einen Rotstift zur Hand? Ruppert muss unwillkürlich lächeln. „Da ist was dran“, sagt er. Bei längeren Autofahrten passiert es ihm manchmal, dass er sich Anmerkungen zum Radioprogramm ins Mobiltelefon spricht, als Gedächtnisstütze. Oder er sieht zu Hause eine „grottenschlechte“ TV-Sendung und denkt: Gott sei Dank nicht BR, weil wir dann keine Beschwerden kriegen und die bearbeiten müssen. „Meine Frau kennt den Satz schon“, fügt der Vorsitzende des Rundfunkrats schmunzelnd hinzu.

Näheres unter https://www.br.de/unternehmen/inhalt/organisation/rundfunkrat/index.html