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Kirche geht zu den Menschen ins Wohnheim

Joseph-Stiftung unterstützt Pilotprojekt der KHG in Erlangen

Es ist ein Experiment, das zum Vorbild für andere Universitätsstädte werden könnte: In Erlangen kümmert sich in den Wohnheimen der katholischen Joseph-Stiftung seit kurzem eine Sozialpädagogin um die Belange der Studierenden. Cornelia Sperber bietet Gespräche und Veranstaltungen an, hilft bei Alltagsfragen weiter, teilt die Freuden der jungen Leute wie ihre Probleme, Ängste und Nöte – Seelsorge, als Sorge um die Seele der Menschen wörtlich genommen. Das Angebot folgt einem Bedürfnis, das gerade in der Coronazeit unter den Studierenden mehr als deutlich geworden ist: Viele fühlen sich einsam und kontaktlos, vielen fällt die Decke auf den Kopf. „In der letzten Prüfungsphase waren auch die Bibliotheken geschlossen“, sagt Cornelia Sperber. „Die Leute saßen zum Lernen 24/7 auf ihren Zimmern.“ 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Das ist gerade für internationale Studierende schwer, für die Erlangen eine „Heimat auf Zeit“ sein soll, so die Sozialpädagogin. Mehr Fragen als Antworten Angestoßen hat das Projekt Harald Kreßmann, Leier der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG). Er erlebt in seiner täglichen Arbeit viele junge Menschen, die auf der Suche sind, mehr Fragen als Antworten haben. Sie kommen zur KHG damit. Was aber ist mit denen, die nicht kommen? „Jetzt“, sagt Kreßmann, „geht Kirche zu den Menschen. Wo sie wohnen und leben. Das ist nicht neu, aber doch ein interessanter Versuch.“ Mit dem Wohnheimprojekt verlasse die Kirche ihr eigenes Milieu: „Man trifft die ganze bunte Schar von Menschen, die dort zusammenkommen“, so der Seelsorger, der das Projekt begleiten wird. Nicht denkbar wäre das Projekt ohne die Joseph-Stiftung, das Wohnungsunternehmen des Erzbistums. Die Stiftung hält allein in Erlangen etwa 1000 Wohnheimplätze bereit. Sie finanziert die halbe Stelle von Cornelia Sperber, die zunächst auf drei Jahre angelegt ist, mit einem erheblichen Betrag. Den Rest gibt die Erzdiözese dazu. Doch damit ist es nicht getan. Die Stiftung stellt auch Büro- und Veranstaltungsräume zur Verfügung, leistet logistische Unterstützung, wo möglich und erforderlich. „Zwei Mal in der Woche bin ich auf jeden Fall im Büro“, sagt Cornelia Sperber. Das Büro, ein Tisch mit Laptop und ein paar Unterlagen darauf, ist zugleich Begegnungsraum, im Erdgeschoss des Wohnheims Albertus Magnus. Ein paar altgediente Sofas stehen im Raum, der direkt neben dem Eingang liegt und bisher leerstand. Die Heizung geht inzwischen. Sonst gibt es im Haus keine Gemeinschaftsräume. Mit Blick auf Corona, so Sperber, hätten viele zu ihr gesagt: Wir müssen mal was anderes sehen als unsere Zimmer. „Wenn jemand vorbeikommen will zum Quatschen, einfach mal einen Tapetenwechsel braucht – ich bin da“, so die 35-Jährige, die mit einer zweiten halben Stelle als Jugendbildungsreferentin in Nürnberg arbeitet. Auch Harald Kreßmann war überrascht zu hören, wie wenig Kontakt es in den Wohnheimen gibt. „Es ist eine durchgängige Erfahrung, dass man in den Wohnheimen eher isoliert ist, gerade die internationalen Studierenden“, so der KHG-Leiter. Es gebe Begegnung und kleine Freundschaften, aber auch viele, die sagten: Ich kenne niemanden. Bei dem Projekt geht es also auch darum, das Gemeinschaftsleben ein Stück wieder aufzubauen. Und das unabhängig davon, ob jemand katholisch, nicht katholisch, Christ oder nicht Christ ist. Welche Rolle wird Seelsorge im klassischen Sinne spielen? Das wollen und müssen die Verantwortlichen bewusst offenhalten – und sich einlassen auf das, was die Studierenden mitbringen und an Bedürfnissen äußern. „Wir sind dabei, das herauszufinden“, sagt Harald Kreßmann. „Man kann da nicht sehr viel voraussetzen. Wir machen Angebote.“ Ein Fragebogen auf Deutsch und Englisch, der inzwischen in den Wohnheimbriefkästen landete, soll helfen zu klären, was die jungen Leute benötigen – praktisch wie zwischen- mensch, aber auch geistlich. Anfang Oktober hat Cornelia Sperber (Foto: buc) ihre Tätigkeit aufgenommen. Die ersten Reaktionen fielen positiv aus: „Die Studierenden haben sich gefreut, dass etwas passiert, dass Leben hereinkommt.“ Jeden Donnerstag gibt es seither eine offene Veranstaltung mit Spielen, Begegnungen, einem Pubquiz. Das Wohnheim St. Augustinus, in der gleichen Straße wie Albertus Magnus, bietet dafür Räumlichkeiten. Für 2. Dezember (19 Uhr) ist eine Planparty vorgesehen – mit den Studierenden soll festgelegt werden, was in den nächsten Monaten alles laufen könnte. Ein Experiment mit durchaus offenem Ausgang.

Büro: Wohnheim Albertus Magnus, Haagstr. 10-16, Tel. 01 57 / 76 29 33 55, E-Mail: cornelia.sperber@khg- erlangen.de. Geöffnet Dienstag 13 bis 17 Uhr, Donnerstag 16 bis 20 Uhr. Donnerstagabend finden in der Regel im Anschluss Veranstaltungen statt.

Autor: Bernd Buchner