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Glückliche Landung im Impfzentrum

Rita Wilfart ist eigentlich Stewardess bei der Lufthansa / In Coronazeiten ist sie als Ehrenamtliche tätig

Es herrscht reger Parksuchverkehr an diesem Dienstagvormittag auf dem Gelände eines Komponentenherstellers in Röthenbach an der Pegnitz. Taxis fahren vor und ebenso schnell wieder weg, aus den Kleinbussen von Fahrdiensten und aus Privatwagen steigen vor allem ältere und hochbetagte Leute aus. Ihr Ziel: das Impfzentrum der Malteser, das in einer Industriehalle auf einem abgetrennten Teil des Unternehmensgrundstücks im Nürnberger Nordosten untergebracht ist. Wenn die Impflinge die Halle betreten, erwartet sie der klassisch-spröde Charme eines solchen Baus: architektonisch nüchtern, viele Hintergrundgeräusche, aber eben absolut funktional und zweckmäßig – auch für den Kampf gegen das Coronavirus. Zur sonstigen sterilen Atmosphäre, die herrscht, wenn hier Maschinen und Waren stehen, fällt allerdings ein großer Unterschied auf. Ein Team von 102 hochengagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Malteser sorgt jetzt für wohlige Wärme – im riesigen Raum von rund 1000 Quadratmetern, vor allem aber in den Herzen der Menschen, die hierhergekommen sind. Rita Wilfart ist eine von ihnen. Wenn „die Rita“, wie die brünette Hersbruckerin vom Sicherheitspersonal bis zur Apothekerin genannt wird, immer dienstags und donnerstags im Impfzentrum als eine von vier ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern aufschlägt, dann steigt die grundsätzlich gute Stimmung im Team und im Impfzentrum noch einmal an. Rita Wilfart ist so etwas wie ein Sonnenschein, dessen Strahlen die körpereigenen Glückshormone anregen. Die 51-Jährige geht auf die Menschen zu, wechselt ein paar Worte – und keiner kann ihrem gewinnenden Wesen widerstehen. Gerade die Alten, Gebrechlichen und Pflegebedürftigen, die derzeit geimpft werden, brauchen so einen seelisch-moralischen Beistand. Rita Wilfart versucht, ihnen Ängste zu nehmen, zeigt ihnen, wo die Toiletten sind und nimmt trotz ihrer zierlichen Gestalt den einen oder anderen schon mal unter den Arm, um ihn von A nach B in der großen Halle zu bringen. Wilfart sieht Dinge und sie kümmert sich – Eigenschaften, die sie in den 26 Jahren bei der Lufthansa als Stewardess gelernt hat und aus dem Effeff beherrscht. „Auch wenn mir das Fliegen derzeit natürlich fehlt, ist das ein feiner Job hier im Impfzentrum“, sagt die Flugbegleiterin. Innerhalb von drei Monaten sei ein Team aus Menschen mit ganz unterschiedlichen Karrieren und Lebensläufen zusammengewachsen: Zum Personal gehören Vollzeit-, Teilzeit-, 450-Euro-Kräfte und Ehrenamtliche. Und vor allem genießt sie, dass sie bei ihrer Tätigkeit genügend vom wichtigsten Gut investieren kann, das ein Mensch besitzt: Zeit. „Das ist das Schöne am Ehrenamt. Ich kann mir hier die Zeit für Gespräche nehmen, die ein hauptamtlicher Mitarbeiter nicht hat“, betont Wilfart. „Wenn mich jemand bittet, ihn nicht allein zu lassen, dann bleibe ich einfach.“ Erlebt hat das Energiebündel in den wenigen Wochen schon viel: Sie hat eine alte Frau betreut, die nicht abgeholt wurde. Sie bekam einen Handkuss von einem behinderten Jungen. Sie hat ihren ehemaligen Hausarzt aus Hersbruck getroffen, der immer donnerstags ebenfalls ehrenamtlich im Impfzentrum arbeitet. „Und auch Geschichten aus dem Zweiten Weltkrieg bekomme ich immer wieder mal zu hören“, sagt Wilfart schmunzelnd. Obwohl sie mit großer Freude und leidenschaftlichem Engagement für die Malteser arbeitet, muss sie doch immer wieder mal daran denken, wie es wäre, „an einem Mittwochmorgen über die Brooklin Bridge in New York zu joggen oder sich auf einem Markt in China etwas Leckeres zu essen zu holen.“ „Das Fliegen fehlt mir schon sehr. Stewardess ist einfach mein Traumjob“, gibt sie zu. Wegen der rückläufigen Umsätze in der Coronakrise schickte die Lufthansa viele Mitarbeiter in Kurzarbeit – auch Rita Wilfart. Ihr Arbeitgeber ist letztlich aber auch dafür verantwortlich, dass die Fränkin bei den Maltesern gelandet ist. „Im Intranet hat die Lufthansa dafür geworben, sich ehrenamtlich zu engagieren – auch in Impfzentren.“ Gelesen – getan. Wobei die verheiratete Mutter eines 22-jährigen Sohnes einräumt: „Irgendetwas Ehrenamtliches hätte ich ohnehin gemacht, weil ich das schon immer getan habe.“ Im Nürnberger Nordklinikum arbeitete sie schon mal für die „Grünen Damen“, einen Besuchsdienst für Patienten innerhalb des Krankenhauses. Auch bei der Blindenschule in Röthenbach war sie bereits aktiv. Ihre Kraft schöpft Rita Wilfart unter anderem auch aus einer Betätigung, die sie in ihrer Freizeit mit großer Passion ausübt: Yoga-Lehrerin. Wovon wiederum alle im Impfzentrum profitieren: Ihre Entspanntheit und Ausgeglichenheit gibt sie an ihre Kollegen und Gesprächspartner weiter. Sozusagen als Ruhepol im täglichen Stress. Neben dem Wunsch, bald wieder „in die Luft gehen zu können“, treibt sie deshalb auch ein großer Traum um: „Sobald es wieder erlaubt ist, veranstalte ich hier eine kostenfreie Yoga-Stunde für das ganze Team.“ 

Autor: Adrian Grodel