
Gaustadt (buc) – Lasset uns loben die edlen Männer, von deren guten Werken nichts vergessen ward“, heißt es auf der Priester-Gedenktafel in der Kirche St. Josef in Bamberg-Gaustadt, „ihr Name bleibt lebendig bis in fernste Geschlechter.“ Der fromme Spruch stammt aus dem alttestamtentlichen Buch Jesus Sirach (Sir 44,1.10.14). Doch auch die schlechten Werke sind nicht vergessen. Einer der Geistlichen, deren Namen prominent im Eingangsbereich des Gotteshauses zu lesen sind, war ein Missbrauchstäter. Deshalb beschloss die Pfarrei nun, die beleuchtete Ehrentafel aus Plexiglas, die vor rund zwei Jahrzehnten angebracht worden war, zu entfernen.
Tat an einem anderen Ort
Es geht um Rudolf Schnappauf, der von 1960 bis 1985 als Pfarrer in Gaustadt wirkte und im Jahr 2002 starb. Vor seiner Zeit in Gaustadt hatte er sich in einer anderen Kirchengemeinde im Landkreis Bamberg mit sexualisierter Gewalt an einer Frau vergangen. Die Betroffene wandte sich im Jahr 2010 an das Erzbistum, einige Jahre später wurde ihr eine Unterstützungszahlung gewährt. Die Höhe legt die Vermutung nahe, dass es um eine schwere Straftat geht. Schnappaufs Schuld sei jedenfalls „glaubwürdig nachgewiesen“, sagt Leitender Pfarrer Helmut Hetzel, heute Seelsorger in St. Josef. Die Staatsanwaltschaft war seinerzeit nicht beteiligt, als die Tat zur Anzeige gebracht wurde, war sie verjährt.
Der Fall wurde im vergangenen Jahr durch den Betroffenenbeirat des Erzbistums aufgegriffen. Der Priester, der auf der Ehrentafel zwei Zeilen unter Schnappauf steht, Matthias Wünsche, 1998 bis 2013 Seelsorger in Gaustadt, ist selbst Missbrauchsopfer und Sprecher des Beirats. Mit Vertretern des Gremium gab es ein „sehr offenes, ehrliches Gespräch“, wie Helmut Hetzel schildert. Der Fall liegt lange zurück und hat mit St. Josef nichts zu tun, doch die prominent platzierte Ehrentafel ist ein „Stein des Anstoßes“, so der Geistliche. Für ihn sei klar gewesen, dass etwas geschehen müsse, fügt Hetzel im Gespräch mit dem Heinrichsblatt hinzu. „Wir müssen hinschauen und wahrnehmen, wo etwas nicht in Ordnung ist.“
Kirchenverwaltung und Pfarrgemeinderat von St. Josef beschlossen dann gemeinsam, die Gläubigen zu einer Versammlung einzuladen, um über das Thema zu diskutieren. Mehr als 50 Gemeindemitglieder folgten Ende März der Einladung. Als Moderator wurde Michael Reisbeck von der Koordinierungsstelle zur Prävention sexualisierter Gewalt im Erzbistum hinzugezogen. Vor dem Treffen, das in der Kirche St. Josef selbst stattfand, mussten gewisse Vorkehrungen getroffen werden – etwa für den Fall, dass sich jemand meldet und sagt, er oder sie sei ebenfalls missbraucht worden. Man wusste zwar, dass Rudolf Schnappauf kein einfacher Mensch war und persönliche Probleme hatte, doch von etwaigen Straftaten in seiner Gaustädter Zeit, immerhin ein Vierteljahrhundert war er hier, ist bisher nichts bekannt.
Keine leichten Rahmenbedingungen also, um die Pfarreiangehörigen ins Bild zu setzen, doch gemessen daran fand die Versammlung in einer guten Stimmung statt. Zu Beginn berichtete Matthias Wünsche über die Vorwürfe gegen Schnappauf, sorgte für Klarheit. Die Gemeinde wusste bis dato nichts. „Als wir die Transparenz hergestellt hatten, ging die Diskussion los“, berichtet Reisbeck dem Heinrichsblatt von dem Abend. Zum Fall selbst gab es nicht mehr viel zu sagen, umso mehr aber über die Ehrentafel im Eingangsbereich. Man habe wertschätzend miteinander gesprochen, unterstreicht der Präventionsexperte, „es war von der Stimmung sehr aufgeräumt, sehr konzentriert“.
Während einige Redebeiträge vor allem älterer Teilnehmer in Richtung „weg mit dem Ding“ gingen, sei es eher die Gemeindejugend gewesen, so Reisbeck, die sich im Sinne einer Erinnerungskultur für einen besonnenen, differenzierten Umgang mit dem Fall eingesetzt habe. Die Tafel dürfe nicht einfach verschwinden, es solle zumindest erkennbar sein, dass es sie gegeben habe.
Große Mehrheit dafür
Bei der Abstimmung mittels eines Punktesystems ergab sich eine klare Mehrheit für die Entfernung der Tafel, eine Reihe von Teilnehmenden wünschte sich einen Hinweis auf ihre Existenz. Dass das ehrende Gedenken kommentarlos so bleiben solle wie bisher, wollte niemand. Kurz nach der Versammlung beschloss die Kirchenverwaltung der Pfarrei offiziell, die Tafel zu entfernen. Das erfolgte inwischen. Der dahinter befindliche Altarstein bleibt leer stehen. „Zum Nachdenken“, wie Helmut Hetzel erläutert.