München (KNA) – Einen zukunftsweisenden Schachzug der Kardinäle sieht der Münchner Theologieprofessor Markus Vogt in der Wahl des neuen Papstes. "Die Weltunordnung, die Zerstörung dessen, was der Westen einmal war, die Aushöhlung der transatlantischen Werte und die Implosion der Demokratie, all das geht gegenwärtig am offensivsten von Amerika aus. Deshalb muss einer die Situation dort gut kennen, um wirksame Antworten zu finden", sagte Vogt am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Zumindest einigen Kardinälen traue ich zu, dass sie diesen Akzent bewusst im Blick hatten bei ihrer Wahl."
Vogt (62) lehrt an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität Christliche Sozialethik.
Auf die Frage, ob er die verbreitete Einschätzung des neuen Papstes als "Anti-Trump" teile, antwortete Vogt: "Öffentlich hat er sich so noch nicht positioniert. Er ist da vorsichtig, ein Diplomat. Bei einem Forschungsaufenthalt in Washington habe ich selbst erlebt, wie stark im US-Katholizismus die Begeisterung und der Rückhalt für Trump waren und sind."
"Klarer Antipode zum US-Präsidenten"
Der Theologe ergänzte: "Liest man zwischen den Zeilen und weiß um seine Themen, ist Leo XIV. ein klarer Antipode zum US-Präsidenten: in der Friedensethik, in der Wirtschaftsethik, in der Einstellung zur Demokratie und beim Thema Verantwortung für andere. Die US-Bischofskonferenz ist zutiefst gespalten. Da wird es ganz wichtig, dass der neue Papst mit all seinem kommunikativen Geschick Brücken schlägt."
Zum Thema Namenswahl verwies Vogt auf den bisher letzten Papst Leo, also Leo XIII. Dieser habe Ende des 19. Jahrhunderts die katholische Sozialethik begründet. Auch heute sei diese Lehre gefordert: "Korruption muss bekämpft werden, die internationalen Finanzmärkte müssen gezügelt werden. Gemeinschaftsgüter wie Klima, Boden, Wasser und Artenvielfalt müssen in die ökonomische Theorie integriert werden." Papst Franziskus habe schon einige Ausrufezeichen gesetzt für eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft. Aber: "De facto haben wir global immer noch mehr eine Machtwirtschaft, in der die Armen an den Rand gedrängt werden."