Washington (KNA) – Der Theologe und USA-Experte Benjamin Dahlke kritisiert die religiösen Narrative bei der Amtseinführung Donald Trumps. „Als Theologe frage ich mich, wie man auf eine solche Weise vom Handeln Gottes in der Geschichte sprechen kann“, sagte der Eichstätter Dogmatiker der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Politische Entwicklungen seien bei Trumps Vereidigung umstandslos mit Gottes Handeln identifiziert worden. Das sei gefährlich in einer liberalen Demokratie, die von wechselnden Mehrheiten lebe. Dahlke zeigte sich verwundert, dass bei der Feier am 20. Januar fast ausschließlich christliche Würdenträger zu Wort kamen: „Ich hatte nicht den Eindruck, dass Muslime, Hindus und Buddhisten, von denen es immerhin auch viele gibt, angemessen berücksichtigt wurden“, so der Theologe. Neben mehreren katholischen Geistlichen sprach unter anderem auch ein Rabbiner im Kapitol.
Durchgehend seien die USA als ein christliches, auf Gott vertrauendes Land vorgestellt worden – obwohl die Zahl der Konfessions- und Religionslosen immer mehr wachse.
Machtinstinkt
Die deutsche Theologin Hille Haker sieht eine Mitschuld der katholischen Kirche in den USA an einer religiösen Überhöhung Donald Trumps. „Konservative Katholiken, die oft traditionalistischen Richtungen der katholischen Kirche nahe stehen, haben Donald Trump in die Rolle des Messias gebracht; und er hat sie sich mit dem ihm eigenen Machtinstinkt übergestülpt“, sagte die in Chicago lehrende Theologin der KNA. Auch Evangelikale spielten dabei eine Rolle.
Diese Entwicklung sei eine Schande für das Christentum, das nun die Früchte ernte, die es selbst gesät habe, so Haker. Nicht zuletzt die Aussage von Papst Franziskus, Katholiken sollten sich bei der US-Wahl 2024 für das „kleinere Übel“ entscheiden, habe die katholische Kirche zur Komplizin des christlichen Trump-Nationalismus gemacht.
Trump stilisiere sich als auserwählter Prophet Gottes, sagte Haker. Er identifiziere sich „geradezu vollständig mit der Rolle des amerikanischen Retters und Führers aus dem weitgehend von ihm erfundenen Elend der Biden-Präsidentschaft hin zur Befreiung Amerikas“. So kultiviere er eine politische Theologie der Befreiung – „allerdings nur der Befreiung Amerikas“.
Mit dem Christentum habe das nicht viel zu tun, so die Theologin weiter. „Der Präsident, der als Friedensfürst und Befreier auftritt, versteht Freiheit als größtmögliche Brutalität gegenüber jenen, die er zu Feinden erklärt hat.“ Durch dieses Vorgehen werde Religion für die Blendung der religiösen Bevölkerung missbraucht. Gemäßigte Christen seien hilflos – „weil nach orwellscher Art alle moralischen Begriffe pervertiert sind: Rassismus ist jetzt Gerechtigkeit; Zensur Andersdenkender ist Meinungsfreiheit; Gewalt gegenüber Fremden ist christliche Nächstenliebe“.