
Nürnberg (KNA/epd/pm) – Vier Nägel und nur ein paar Schläge waren nötig, bis das Plakat am Platz war: Mit einem symbolischen Thesenanschlag und Forderungen nach besserer Sozialpolitik hat die Caritas am Mittwoch ihre Jahreskampagne unter dem Motto „Da kann ja jeder kommen “ in Nürnberg eröffnet. Im Beisein von Vertretern aus der Politik nagelte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa mit Blick auf die Bundestagswahl zehn Forderungen an eine rote Tür, die in der Fußgängerzone aufgestellt wurde.
Die Caritas wirbt unter anderem für eine Klimasozialpolitik. Für einkommensarme Haushalte müsse es einen sozialen Ausgleich geben, wenn fossile Energie teurer werde. Zudem fordert der Verband laut Welskop-Deffaa eine Digitalisierungsoffensive für eine „bürgerfreundliche Dienstleistungskultur“ sowie eine „soziale Verkehrspolitik mit gezielten Investitionen, insbesondere im öffentlichen Nahverkehr“. Nur so seien gerechte Teilhabe am Arbeitsleben, ein soziales Miteinander und gleichwertige Lebensverhältnisse möglich. Auch Generationenpolitik sei angesichts der Altersstruktur der Bevölkerung ein zentrales Thema, heißt es in einer der Thesen. Herausforderungen wie Pflege könnten nur im Miteinander der Generationen bewältigt werden.
Mehr Vorsorge angemahnt
Nötig sei eine „vorsorgende Sozialpolitik, die Abwärtsspiralen frühzeitig und wirksam stoppt“, unterstrich Welskop-Deffaa. Jede und jeder könne jederzeit von Lebenskrisen aller Art getroffen werden. Durch den Wahlkampf und die Art der Diskussion habe die Kampagne noch einmal eine neue Tonlage bekommen. Manche täten sich im sozialen Bereich besonders dadurch hervor, dass sie dort sparen wollten, fügte die Caritas-Präsidentin hinzu. Sie wünsche sich, dass die Thesen in eine breite öffentliche Diskussion gebracht würden, damit sie auch auf politischer Ebene ihre Wirkung entfalten könnten. Daher sei auch der Thesenanschlag als Form der öffentlichen Präsentation gewählt worden.
Auch an die katholischen Bistümer richtete Welskop-Deffaa eine Forderung. Die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung habe gezeigt, dass Menschen vor allem in der Kirche blieben, weil von ihr soziales Engagement erwartet werde. Daher müssten die Diözesen mehr Geld für diese Aufgaben zur Verfügung stellen. Sie könne nicht nachvollziehen, warum dies so schwer falle.
Der Nürnberger Caritasdirektor Michael Schwarz betonte, dass Kommunalpolitik und öffentliche Verwaltung dem Verband mit viel Sympathie und Offenheit begegneten. Allerdings sei auch klar, dass aufgrund politischer Rahmenbedingungen verschiedene Interessensfelder um finanzielle Mittel konkurrierten. Schwarz wies auf die zunehmenden wirtschaftlichen Sorgen von Wohlfahrtverbänden hin. Gerade im sich verschärfenden Wahlkampf sei es schwierig, eine Prioritätensetzung auf Soziales in der Politik zu finden.
Die offene rote Tür ist das zentrale Symbol der Kampagne. Damit will die Caritas mit ihren Einrichtungen in ganz Deutschland auf ihren Beitrag zu einem funktionierenden Sozialstaat aufmerksam machen. Auf vier verschiedenen Plakatmotiven gibt die Tür jeweils Einblick in eine Situation, in der der Verband ein Hilfsangebot macht.
Thema Wohnungslosigkeit
Das Motiv „Wohnungslosigkeit in Nürnberg“ steht für die engmaschige Arbeit in einem Sozialraum. Auf dem Foto ist ein Streetworker zu sehen. In der Frankenmetropole arbeiten Stadt, Caritas und Hilfsorganisationen eng zusammen. Ein Netzwerk an Einrichtungen und aufsuchenden Hilfsangeboten begleitet Obdachlose auf ihrem Weg. Mit ihren Hilfsangeboten erreicht die Caritas die Menschen direkt auf der Straße. Die rote Tür für die Eröffnungsaktion sei bewusst an der St. Klarakirche in der Nähe des Bahnhofs aufgestellt worden, hieß es. Dort seien gerade im Winter viele Wohnungslose auf Hilfe angewiesen. Ihre Zahl wird allein in Nürnberg auf rund 2600 geschätzt.
Die weiteren Plakatmotive zeigen ein zerstörtes Grundstück nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021, eine Babylotsin an einem Hildesheimer Krankenhaus sowie humanitäre Hilfe in Haiti. Auch in Bad Neuenahr-Ahrweiler sowie in Hildesheim wurden zum Kampagnenstark rote Türen aufgestellt. Die Motivauswahl solle deutlich machen, dass die Türen der Caritas für alle Menschen offen stehen, hieß es. „Als Caritas sind wir aber nicht nur Anwältinnen und Anwälte der einzelnen Menschen, sondern des Sozialstaats als Ganzem“, sagte Welskopp-Deffaa. Die Caritas ist mit rund 740 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in bundesweit 25 000 Einrichtungen der größte deutsche Sozialverband.