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Langfristige Unterstützung notwendig

Kiew (KNA/pm/hbl) – Wie in vielen anderen Kriegen und Konflikten auch sind es in der Ukraine die Schwächsten, die oft am meisten leiden – vor allem nahe der Front. Zwei Jahre nach Beginn des russischen Krieges in der Ukraine prangern Hilfsorganisationen die Not von Älteren und von Menschen mit Behinderung an. Außerdem warnen sie vor Minen und Blindgängern in einigen Gebieten der Ukraine, die es Menschen kaum möglich machten, ihre Häuser zu verlassen oder Felder zu bestellen. 

 

„Hinter der Frage nach der militärischen Allianz darf die Frage nach der menschlichen Solidarität nicht in den Hintergrund treten“, forderte die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, am 20. Februar. „Alte Menschen und Menschen mit Behinderung brauchen in besonderem Maße unsere Solidarität.“ Die verbandliche Caritas hat in den letzten Jahren tausende Ukrainerinnen und Ukrainer sowohl in ihrem Heimatland als auch in Deutschland unterstützt.

 

Caritas

 

Unter den Geflüchteten, die in den letzten zwei Jahren nach Deutschland gekommen sind, befinden sich hunderte ukrainische Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderungen, die mit ihren Betreuerinnen und deren Angehörigen aus der Ukraine in Caritas-Einrichtungen in Deutschland aufgenommen wurden. „Das unermessliche Leid der Kinder und Jugendlichen mit Behinderung zu lindern, bleibt eines unserer besonderen Anliegen.“ 

 

Im April 2022 wurde zum Beispiel eine Einrichtung von Kryvij Rih nach Bayern in eine Mitglieds-Einrichtung des CBP evakuiert. Insgesamt 300 Menschen mit Behinderung sowie mehr als 100 Betreuerinnen und deren Angehörige aus der Ukraine wurden in Mitgliedseinrichtungen des CBP in Nordrhein-Westfalen, Niedersachen, Baden-Württemberg und Bayern aufgenommen. Dort werden sie seitdem begleitet und betreut. Nach Unterbringung und Versorgung steht jetzt eine Normalisierung des Alltags mit Tagesstruktur, aber auch therapeutischen Maßnahmen an, um die erlebten Schrecken zu verarbeiten.

 

Auch Caritas international unterstütze mit Partnerorganisationen vor Ort Ukrainerinnen und Ukrainer. Etwa drei Millionen Menschen haben bereits Hilfe erhalten. Mitarbeitende hätten seit Februar 2022 in den 45 Zentren der Caritas Ukraine, den 23 Zentren der Caritas Spes und 200 Notunterkünften seit Februar 2022 mehr als 2,4 Millionen Lebensmittelpakete und rund 855 000 Hygienesets ausgegeben sowie mehr als 114 000 traumatisierte Menschen psychologisch betreut. 

 

Die mobilen Teams der Caritas kümmern sich aktuell an der Frontlinie insbesondere um alte und kranke Menschen, die aus den abgelegenen Ortschaften nicht fliehen können. Und sie sind damit oft die einzige Institution, die in diesen ukrainischen Dörfern vor Ort ist. Neben der Nothilfe leistet die Caritas in der Ukraine auch soziale Hilfe, etwa im Bereich der Hauskrankenpflege und der Altenpflege, bei Menschen mit Behinderung und eingeschränkter Mobilität. Je nach Verlauf der Front passen sie ihre Angebote an die Möglichkeiten flexibel an.

 

Handicap International (HI) verweist auf die vielen Blindgänger und Minen, die der Krieg schon jetzt im Boden hinterlassen hat. „Einige Gebiete rund um Charkiw und Dnipro im Osten sowie Mykolajiw und Cherson im Süden der Ukraine sind durch Bombardierungen und Verseuchung mit Minen und Blindgängern vom Rest des Landes abgeschnitten“, erklärte die Leiterin der politischen HI-Abteilung, Eva Maria Fischer. „Viele Menschen trauen sich bisweilen gar nicht, die prekären Unterkünfte zu verlassen. Unzählige Felder können nicht bestellt werden.“ Die Hilfsorganisation kläre die Bevölkerung über die explosiven Kriegsreste auf, hieß es. Es werde Jahrzehnte dauern, bis die Kriegsreste beseitigt seien, so Viktoria Vdovichuk, Leiterin des Gefahren-Aufklärungsteams von HI in der Region Charkiw. 

 

Es sei wichtig, in abgelegene Orte zu fahren, um die Menschen dort zu informieren. Allerdings könnten manche Veranstaltungen nur über das Internet abgehalten werden, weil es zu gefährlich sei, in bestimmte Orte zu fahren. Zwar seien in Gebieten nahe der Front die meisten Einwohner weggebracht worden oder vor den Kämpfen geflohen. Trotz der Bombardierungen seien jedoch vor allem Ältere, darunter auch ein hoher Anteil von Menschen mit Behinderung, geblieben. „Die am stärksten gefährdeten Menschen bleiben unverhältnismäßig oft in den vom Konflikt besonders betroffenen Gebieten, weil sie diese entweder nicht verlassen wollen oder können. Isolation, ständiger Beschuss und der Mangel an medizinischer Grundversorgung wirken sich auch auf die psychische Gesundheit aus und werden die Menschen noch jahrelang belasten“, erklärte Inez Kipfer-Didavi, Geschäftsführerin von Handicap International Deutschland. 

 

Rund zehn Millionen Menschen benötigten professionelle Hilfe von Psychologen, teilte das Hilfswerk Care mit. „Es wird Jahre dauern, bis sich die Menschen in der Ukraine von den Folgen dieses Kriegs erholen. Sie brauchen dringend unsere langfristige Unterstützung“, sagte die Care-Referentin für Nothilfekommunikation, Sarah Easter.

Vor allem Frauen und Mädchen seien von den Folgen des Kriegs betroffen, sagte die Frauenrechtlerin und Direktorin der Organisation „Girls“, Yuliya Sporysh. Es brauche Investitionen in Bildung und Betreuungsangebote für Kinder, damit Mütter arbeiten könnten. Ein weiteres Problem sei Gewalt gegen Frauen.

 

Hilfswerk Help

 

Das Hilfswerk Help unterstützt Ukrainerinnen und Ukrainer nach eigenen Angaben etwa mit Futter und Tiermedizin, damit meist von Frauen und Vertriebenen gegründete Betriebe direkt in der Ukraine Lebensmittel produzieren können. Hinzu komme psychosoziale Unterstützung etwa bei geschlechtsspezifischer Gewalt für rund 25 000 Betroffene.

Die Organisation Ärzte der Welt forderte, die physische und psychische Gesundheit der Bevölkerung weiter zu unterstützen. Je länger der Krieg andauere, desto größer seien die Risiken. „Es herrscht ein ständiges Gefühl der Ungewissheit, das extrem belastend ist“, erklärte Panagiotis Chondros, Koordinator für psychische Gesundheit bei Ärzte der Welt. Zugleich könne das Gesundheitssystem steigenden Bedarf der Bevölkerung nach medizinischer Versorgung nicht decken. Teams von Ärzte der Welt leisteten Unterstützung.