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Antisemitismusbeauftragter: Kirchen im Fall Aiwanger zu leise

Berlin (KNA) – Zivilgesellschaftliche Institutionen haben sich aus Sicht des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, zu leise in der Flugblatt-Affäre um den stellvertretenden bayerische Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Freie Wähler) verhalten. Statt jüdischen Repräsentanten, wie dem Zentralrat der Juden, "hätten andere, nicht-jüdische gesellschaftliche Institutionen, wie beispielsweise die Kirchen oder Lehrerverbände, klar und deutlich Position beziehen sollen", sagte Klein den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch). Der Kampf gegen Antisemitismus dürfe nicht auf den Schultern der Betroffenen lasten, mahnte der Bundesbeauftragte.

 

Gleichzeitig hat laut Klein die politische Kultur in Deutschland durch die Diskussion um die Flugblätter schweren Schaden genommen. "Während der moralische Kompass im Umgang Antisemitismus und der Erinnerung an die Shoah bei vielen zu den richtigen Reaktionen führt, ist Herr Aiwanger sofort, als ihm klar wurde, dass er keine politischen Konsequenzen wird tragen müssen, wieder in die politische Offensive gegangen, als wäre nichts gewesen." Dass diese Reaktion nun in mehr Wählerstimmen für seine Partei bei den kommenden Wahlen resultieren könnte, sei "eine fatale Botschaft für unsere Erinnerungskultur und den politischen Umgang damit", kritisierte Klein.

 

Vor zwei Wochen hatte die "Süddeutsche Zeitung" erstmalig über ein antisemitisches Flugblatt und den Verdacht berichtet, wonach Aiwanger als 17-Jähriger der Autor des Pamphlets gewesen sei, das man damals in seinem Schulranzen gefunden habe. Aiwanger selbst bestreitet dies. Sein Bruder Helmut sagt, er sei der Urheber gewesen. In dem Flugblatt wurde als erster Preis eines fiktiven Wettbewerbs "Ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz" ausgelobt.

 

Unterdessen warnte die Jüdische Studierendenunion vor mehr offenem Antisemitismus in Deutschland. Der Fall Aiwanger und die ausbleibenden Konsequezen würden "denjenigen, die antisemitische Einstellungen hegen und die Shoa relativieren, Rückenwind geben und die Hemmschwelle, Antisemitismus offen zu äußern, noch weiter senken", sagte die Präsidentin der Studierendenunion, Hanna Veiler, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.