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Vatikanvertreter: Jeder Form von Extremismus entgegentreten

 

Berlin (KNA) - Die Kirche sieht sich nach Worten des Vatikanbotschafters bei der Europäischen Union in der Verantwortung, Extremismus, Populismus und jeglicher Form von Menschenfeindlichkeit entgegenzutreten. In vielen Ländern fänden derzeit extremistische oder populistische Bewegungen fruchtbaren Boden, „die aus dem Protest das Herzstück ihrer politischen Botschaft“ machten und kein Interesse am Gemeinwohl hätten, kritisierte der Apostolische Nuntius, Erzbischof Noel Treanor, am Montag in Berlin.
Er äußerte sich in einer Festrede beim Michaelsempfang der katholischen Kirche für Vertreter aus Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Daran nahmen mehreren Bischöfe und Vertreter anderer Kirchen und Religionsgemeinschaften teil. Die Politik war unter anderen durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vertreten, der nach einer Verletzung beim Joggen eine Augenklappe trug. Gekommen waren auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz und der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, sowie zahlreiche Abgeordnete.
Als besondere Herausforderung sah Treanor die digitale Verbreitung von Fehlinformationen. Sie führe zum Vertrauensverlust in Staat und Demokratie. Politik lebe von vitalen Diskussionen und unterschiedlichen Bewertungen. Sie verliere aber den Boden unter den Füßen, „wenn wir uns nicht mehr auf die Fakten einigen können, auf deren Basis unsere Repräsentanten ihre Entscheidungen treffen müssen“. Alle stünden in der Verantwortung, die Demokratie zu schützen. Dazu gehöre wesentlich die „Kunst des Kompromisses“.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sagte, dass die Kirche weiter zum Zusammenhalt der Gesellschaft beitragen werde. Sie tue das mit „ihren Mahnungen, Erinnerungen und praktischen Ideen der Nächstenliebe“, sagte der katholische Bischof von Limburg. „Als Kirche wollen wir uns auch in Zukunft daran messen lassen, dass wir für den Schutz des Lebens - besonders zu Beginn und am Ende - eintreten“, so Bätzing.
„Wir lassen uns daran messen, dass wir die Würde und die Rechte derer verteidigen, die am Rande der Gesellschaft stehen: sozial Benachteiligte, Kranke, Menschen mit Beeinträchtigung, Flüchtlinge“. Als notwendige gesellschaftliche Leitbilder nannte Bätzing Gerechtigkeit, Frieden, Menschenrechte und die Bewahrung der Schöpfung.
Bätzing verlangte einen „realistischen und vor allem ehrlichen Blick“ auf die Kirche. Die Erosion der Volkskirche müsse aber nicht „zum düsteren Finale des christlichen Lebens in Deutschland führen“. Die Kirche sei im Umbruch. Die beiden großen Kirchen hätten im vergangenen Jahr eine „gewaltige Zahl an Mitgliedern verloren“. Der Trend der Entkirchlichung habe „massiv an Fahrt aufgenommen“. Als Gründe nannte er eine Individualisierung des Glaubens. Zugleich drohe der Glaube an Gott zu verdunsten. Weitere Gründe seien der sexuelle Missbrauch in der Kirche und ein jahrzehntelanges schuldhaftes Wegschauen, Beschönigen und Vertuschen.
Die Ausgangslage von Freiheit und individueller Entscheidung verlange von der Kirche neue Wege, um den Menschen beizustehen. „In der krisenhaften Stunde zeigt sich in aller Klarheit die Notwendigkeit, die Botschaft von Jesus Christus als Retter der Welt neu zu verkünden“, betonte Bätzing.