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Fünftägiges Christentreffen in Nürnberg beginnt am Mittwoch

Nürnberg (KNA) - Unter dem Leitwort „Jetzt ist die Zeit“ beginnt am Mittwoch in Nürnberg der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag. Mit rund 2.000 Einzelveranstaltungen in Nürnberg und dem benachbarten Fürth wollen die Veranstalter rund 100.000 Teilnehmer ansprechen. Es gibt Gottesdienste und Bibelarbeiten, große und kleine Podiumsdiskussionen zu aktuellen Themen aus Politik und Gesellschaft und ein reichhaltiges Kulturprogramm. Einen Schwerpunkt bilden Veranstaltungen zum Umweltschutz oder der „Schöpfungsverantwortung“, wie es in der Kirchensprache heißt - im Programm wie in der Organisation der Großveranstaltung.
Die Evangelischen Kirchentage werden von den Organisatoren gerne als „Zeitansage“ bezeichnet. Wofür ist die Zeit aus Sicht der Veranstalter? Es gehe nicht um die Zukunft der Kirche, hatte Kirchentagspräsident Thomas de Maiziere bei der Vorstellung des Programms im März gesagt und hinzugefügt: „Uns geht es um die Zukunft des Glaubens.“ Der Kirchentag werde sich „nicht an selbstverliebten Debatten über Schrumpfungsprozesse beteiligen“. Vielmehr biete er Raum, um den Blick auf die Menschen und die Themen dahinter zu richten - ohne dabei „Probleme verkleistern zu wollen“.
Was das konkret bedeuten soll, zeigen vor allem die acht „Hauptpodien“. Sie behandeln die Themen Demokratie, Klimakrise, Friedensethik, „Rassismus und postkoloniales Erbe in der Kirche“ sowie: „Wo finde ich Halt? Sinnstiftung in einer Gesellschaft mit Christ:innen als Minderheit“. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt zu einem Gespräch zum Thema „In bewegten Zeiten gemeinsam gestalten“.
Auch über den Krieg in der Ukraine soll diskutiert werden: vor allem bei einem Hauptpodium mit Altbundespräsident Joachim Gauck und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Samstagabend mit dem Titel „Werte, Ethik, Interessen - Außenpolitisches Handeln in der Zeitenwende“. Ansonsten fallen die Einträge in der Programmdatenbank zu den Suchwörtern „Ukraine“ und „Russland“ spärlich aus. Bereits am Donnerstag planen 20 Friedensgruppen und -organisationen eine Demonstration in der Innenstadt für einen Stopp der weltweiten Rüstungsspirale sowie für Krisenprävention und zivile Konfliktbearbeitung in Kriegsgebieten.
Außer dem Kanzler werden auch diesmal wieder weitere Spitzenpolitiker erwartet, darunter Bundesministerinnen und -minister, CDU-Chef Friedrich Merz und die Ministerpräsidenten von Bayern, Markus Söder (CSU), Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), und Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne). Der dem Kirchentag eng verbundene Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kommt zur Eröffnung und hält außerdem eine Bibelarbeit.
Die 2.000 Einzelveranstaltungen teilen sich auf rund 120 Veranstaltungsorte in Nürnberg und Fürth auf. Dabei reagiert der Kirchentag auch auf aktuelle Trends: In Fürth ist etwa ein komplett von Künstlicher Intelligenz gesteuerter Gottesdienst geplant. Eine „FuckUp-Night“ - ein Format aus der StartUp-Branche - soll Raum bieten, um über Fehler und Misserfolge zu diskutieren. Zum Suchwort „Gender“ finden sich 32 Einträge in der Datenbank, es gibt ein eigenes „Zentrum Geschlechterwelten und Regenbogen“.
Auch im „Zentrum Muslime und Christen“ gibt es ein Podium zum Thema „Hidjab und Regenbogen“. Zum Vergleich: Das Thema „Missbrauch“ behandeln nur sieben Veranstaltungen, darunter ein Podium am Samstag mit der pfälzischen Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst als Sprecherin der Beauftragten im Beteiligungsforum der EKD sowie Betroffenen-Vertretern.
Großen Wert legt der Kirchentag darauf, den Umweltschutz nicht nur thematisch in mehr als 100 Veranstaltungen zu behandeln, sondern auch in seiner Struktur und Arbeitsweise umzusetzen. Dies betrifft etwa die Verpflegung und die Logistik. „Unser Ziel ist es, einen neuen Standard für Großveranstaltungen zu setzen“, sagt Projektmitarbeiter Christof Hertel. Dazu gehört auch der Abschied vom gewohnten Programmheft: In diesem Jahr ist das Programm primär digital verfügbar - unter www.kirchentag.de und über die Kirchentags-App.
Gegen diese Akzentsetzung gibt es in der inoffiziellen Welthauptstadt der Bratwurst auch Widerstände. So will die Metzger-Innung den Handwerkergottesdienst boykottieren. Die weitgehend vegetarischen und veganen Speiseangebote für die Kirchentagsteilnehmer empfinden die Fleischer als nicht hinnehmbare Bevormundung.