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Bayerns Katholiken für mehr Reformen

Diözesanadministrator Weihbischof Herwig Gössl (rechts) war zur Tagung des Landeskomitees der Katholiken nach Vierzehnheiligen gekommen, wo er von Vorsitzendem Joachim Unterländer (links) begrüßt wurde.Foto: Andreas Kuschbert
Diözesanadministrator Weihbischof Herwig Gössl (rechts) war zur Tagung des Landeskomitees der Katholiken nach Vierzehnheiligen gekommen, wo er von Vorsitzendem Joachim Unterländer (links) begrüßt wurde.Foto: Andreas Kuschbert

Vierzehnheiligen (ku/KNA) – Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern will sich für weitere Reformen in der Kirche stark machen. Unter anderem sollen die Räte der Ehrenamtlichen in den sieben katholischen (Erz-)Bistümern mehr Mitverantwortung und Entscheidungsmöglichkeiten bekommen. Dafür sprach sich das höchste Laiengremium im Freistaat mehrheitlich bei seiner Frühjahrsvollversammlung in den Bildungs- und Tagungshäusern Vierzehnheiligen aus. Es gehe darum, die „Teilhabe aller Getauften“ an der Sendung der Kirche zu verwirklichen.
Das Präsidium wurde beauftragt, dazu eine Arbeitsgruppe zu gründen. Hintergrund war ein Antrag des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) Bayern. Darin wurde darauf verwiesen, dass es vor allem Frauen seien, die „das soziale und das kirchliche Miteinander vor Ort am Laufen halten“. Ein Mitbestimmungsrecht hätten sie jedoch nicht.
Die gewählten Räte mit mehr Entscheidungskompetenzen auszustatten - auch hinsichtlich der Mitbestimmung bei Bischofsernennungen – sei einer von vielen Schritten in Richtung einer geschwisterlichen Kirche, heißt es in der Begründung. Für den KDFB könne nur eine Kirche, in der Laien und Kleriker auf Augenhöhe kirchliches Leben gestalteten, eine „glaubwürdige und zukunftsfähige Kirche“ sein.
Nach den Worten des Vorsitzenden des Landeskomitees, Joachim Unterländer, bekennen sich die Mitglieder „uneingeschränkt zu einer Synodalität“ – in der Weltkirche und auch durch die Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Wegs, des deutschen Reformprojekts der katholischen Kirche: „Wir werden gerade in Bayern den Weg der Umsetzung unterstützen und positiv begleiten.“
Sein Stellvertreter Christian Gärtner verwies jedoch darauf, dass die Laiengremien im Freistaat vor der Frage stünden, wie sie damit umgehen sollten, „dass die Mehrheit der bayerischen Bischöfe bei den meisten Beschlüssen des Synodalen Wegs nicht mitgehen will“. Dennoch hoffe er, dass die Beschlüsse einen Beitrag dazu leisten könnten, wie Macht in der Kirche breiter verteilt und wirkungsvoller kontrolliert werde.
Allerdings sei er sich bewusst, so Gärtner, dass all diese Reformbemühungen zwar notwendig seien, aber für eine wirksame Wiederbelebung des christlichen Glaubens nicht genügten. Diese werde nur gelingen, wenn der Missbrauchsskandal in allen Bistümern und weltweit ehrlich und transparent aufgearbeitet werde. Dafür plädierte auch Unterländer. Er sieht nach eigener Aussage zusätzlich den Staat in der Pflicht, ein Gesamtkonzept für Aufklärung, Entschädigung und Prävention zu entwickeln, auch für Missbrauchsfälle in anderen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen. Nötig sei eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene.
Aufruf zu Sozialwahlen
Weiter rief das Landeskomitee zur Beteiligung an den Sozialwahlen 2023 auf. Gerade in Zeiten großer Herausforderungen in Alters- und Gesundheitsversorgung sei es wichtig, daran mitzuwirken. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie alle Bezieherinnen und Bezieher der Altersversorgung in den Sozialversicherungssystemen sollten ihr Wahlrecht nutzen.
Mehr als 50 Millionen Versicherte deutschlandweit sind bis 31. Mai aufgerufen, in der Sozialversicherung ihre Vertreterinnen und Vertreter zu wählen, heißt es in der Stellungnahme. Das Landeskomitee erinnerte an die Bedeutung der Selbstverwaltung in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Unfallversicherung sowie den Berufsgenossenschaften. Damit könnten Grundsätze der katholischen Soziallehre im Sozialstaat umgesetzt werden. Dabei handle es sich auch um gelebte Demokratie in Wirtschaft und Gesellschaft.
Gedankenaustausch
Am Nachmittag des ersten Tages war Diözesanadministrator Weihbischof Herwig Gössl nach Vierzehnheiligen gekommen, um mit den Mitgliedern des Landeskomitees ins Gespräch zu kommen. Eines der Themen war – fast schon erwartungsgemäß – der Synodale Weg. In seinen Ausführungen machte Gössl deutlich, dass die Versammlungen für ihn eine Herausforderung gewesen seien. So könne er durchaus die Enttäuschungen nach bestimmten Entscheidungen verstehen. Die kontroversen Diskussionen hätten jedoch dazu geführt, dass sich etwas bewegt habe, „man hat mehr aufeinander gehört und versucht, gemeinsame Lösungen zu finden“.
Keine Antwort hatte der Weihbischof auf die Frage, warum der Papst die Rücktrittsangebote einiger deutscher Bischöfe – darunter auch von Erzbischof Schick – angenommen habe bei anderen jedoch immer noch zögere. „Wie viele andere stehe ich auch vor einem Rätsel“, so Gössl. „Wir alle kennen nicht die Hintergründe für die Entscheidungen des Heiligen Vaters.“
Auch das Thema Missbrauch in der Kirche wurde bei dem Gedankenaustausch angesprochen. „Wir bemühen uns alle um eine Aufarbeitung“, so Herwig Gössl. „Aber eine hundertprozentige Aufarbeitung kann und wird es nicht geben können. Was möglich ist, wird getan.“ Und er betonte: „Auch wenn Veröffentlichungen immer wieder neue Beschämungen mit sich bringen, muss man es annehmen und ertragen.“ Zugleich betonte der Weihbischof, dass man von kirchlicher Seite in Sachen Prävention viel auf den Weg gebracht haben, „da brauchen wir uns nicht verstecken.“
Auf die hohe Zahl von Kirchenaustritten angesprochen, konstatierte Weihbischof Herwig, dass man schauen müsse, wie man den Menschen vermitteln kann, „dass das, was wir als Kirche tun, dem Leben einen Sinn und Halt gibt“. Gössl: „Und wir müssen auf Qualität wertlegen. Das, was wir tun, muss mit Herz und Liebe getan werden, auch in kleiner werdenden Gemeinden. Zu einer großen Volkskirche werden wir in Zukunft nicht mehr werden.“