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„Cancel Culture ist Zeichen für den Geist der Gottlosigkeit“

Bamberg (eob) - Diözesanadministrator Herwig Gössl hat zum Kunigundenfest vor den Gefahren von Ausgrenzung und Cancel Culture gewarnt. Öffentliche Entrüstung über Andersdenkende aufgrund einer angeblich höheren moralischen Position sei kein Zeichen für das Wirken von Gottes Geist, sondern für den Geist der Gottlosigkeit, sagte Weihbischof Gössl am Samstag im Bamberger Dom.
„Die meisten, denen so etwas widerfährt, machen so schnell nicht mehr den Mund auf. Denn niemand möchte gern am Pranger stehen“, sagte Gössl und betonte: „Gott ist kein Schwarz-Weiß-Maler. Er kann mit den verschiedenen Schattierungen des Lebens gut umgehen. Deshalb überspringt er immer wieder die klaren Abgrenzungen, die Menschen ziehen, um sich anderen gegenüber als etwas Besseres darzustellen.“
Das Motiv für ein solches Disqualifizieren oder Eliminieren von anderen Meinungen sei oft die Suche nach Selbstbestätigung, letztlich sei es doch fast immer die eigene Schwäche, die zu Ausgrenzung und Radikalismus führe. Und je mehr schwache und verunsicherte Menschen es gebe, desto größer werde die Gefahr.
Auch die heilige Kunigunde, zu deren Ehren das Diözesanfrauenfest am Samstag begangen wurde, sei ein Opfer von moralischer Entrüstung und Beschuldigungen geworden. Ihr sei vorgeworfen worden, ihren Mann hintergangen zu haben. Ein solches Gerücht sei schwer aus der Welt zu schaffen. Kunigunde habe die Zuflucht bei Gott gesucht, so sei die Legende vom Pflugscharenwunder entstanden.
„Gottes Zusage bedeutet nicht, dass alles, was ich denke, sage oder tue, richtig und einwandfrei wäre“, so Gössl. „Wenn wir Kunigunde als Diözesanpatronin verehren, sagen wir nicht, dass sie wie ein moralischer Hochleistungssportler gelebt hat, frei von jeder Sünde, sondern wir sagen: Das war ein Mensch, der um seine Sündhaftigkeit wusste, aber zugleich wusste, zu wem er mit der eigenen Schuld gehen kann und aufgefangen wird. Gott gibt uns die Kraft, immer wieder das Böse zu überwinden und das Gute zu tun.“ Die Menschen sollten daher nicht auf andere zeigen, um sich selbst besser zu fühlen, sondern ehrlich mit sich selbst sein. „Wir dürfen spüren, dass Gott seinen liebevollen Blick nicht von uns abwendet, trotz unserer Schuld. Und so wird tatsächlich ein neues Miteinander möglich.“
Den Hauptpunkt des Nachmittagsprogramms des Kunigundentags bildete ein Online-Festvortrag zum Thema „Vorbild – Schwester – Freundin“ mit der Theologin und Pfarrerin Johanna Haberer. Sie ist bekannt für die Podcast-Serie „Unter Pfarrerstöchtern“, die sie gemeinsam mit ihrer Schwester Sabine Rückert, der stellvertretenden Chefredakteurin der „Zeit“, ins Leben gerufen hat.