Brücke zwischen Afrika, Asien und Europa

Kreta war das Ziel der jüngsten Heinrichsblatt-Leserreise

Die riesige Pinie breitet ihre mächtigen Arme in alle Richtungen aus. In ihrem Schatten geht ein wohltuendes Lüftchen. Wer die unausgesprochene Einladung annimmt, darf einen Moment lang – mit Weitblick und allen Sinnen – die ganze Faszination der größten griechischen Insel genießen: Hier oben, vom Kloster Preveli aus, hat man eine wunderbare Aussicht auf das türkisfarbene Meer und den wolkenlosen blauen Himmel, auf die Berge und Hänge sowie die abwechslungsreiche Pflanzenwelt von Kreta. Unterhalb der Klostermauern hört man – etwas gedämpft – einen Chor aus meckernden Schafen und Ziegen sowie Entengeschnatter. Auch Pfaue, Truthähne, Gänse und Dammwild gibt es hier. Orthodoxe Mönche umso weniger. Sie bieten Touristen Einlass in die Klosterkirche und verkaufen kretische Kräutertees im Museumsshop. 
Ein paar ereignisreiche Tage liegen bereits hinter den 45 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Heinrichsblatt-Leserreise – innerhalb einer knappen Woche hat Reiseleiterin Maria Tsirakaki mit Leib und Seele „ihre“ Insel vorgestellt: die im Norden gelegene Hafenstadt Rethymnon etwa, mit 32 500 Einwohnern Kretas drittgrößte Stadt. 
Oder das orthodoxe Kloster Arkadi, das als Nationaldenkmal der Insel gilt, spielte es doch eine wichtige Rolle im kretischen Kampf um Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich. In Heraklion, der Hauptstadt Kretas, konnten die Gäste venezianische Architektur bewundern und das berühmte Archäologische Museum kennenlernen, das – nach dem Nationalmuseum in Athen – als bedeutendste Antikensammlung Griechenlands gilt.
Vor den Toren der Stadt und südlich von Heraklion liegt der Palast von Knossos, wo vor 4000 Jahren die größte Zivilisation des minoischen Kretas herrschte – eine antike und archäologische Stätte, die mit einem Areal von 22 000 Quadratmetern und zwei Millionen Besuchern pro Jahr als der größte Palast der Bronzezeit auf Kreta DAS kulturelle Highlight der Insel ist. 
Auch die aus römischer, dorischer und byzantinischer Zeit stammende Ausgrabungsstätte Gortys, die neben den Überresten der bekannten Titus-Basilika aus dem sechsten Jahrhundert den ältesten Gesetzescodex Europas beherbergt, stand auf dem 
Programm der Reisegruppe. Ebenso die Stadt Chania im Westen der Insel, die zu einem der schönsten Orte Kretas zählt und deren Hafen mit seiner orientalischen Atmosphäre an Venedig erinnert. 
Nicht fehlen durfte ebenfalls die malerische Bucht von Matala, die zum baden und erholen einlud – nachdem sich die Gäste einen Eindruck vom Palast von Phaestos im südlichen Teil Zentralkretas am Ende der Messara-Ebene verschaffen konnten. 
Kreta, so erklärte Reiseleiterin Maria Tsirakaki, sei eine Insel (und keine Vulkan-Insel), auf der mehr Schafe und Ziegen als Menschen leben. Wo es allein 80 verschiedene Orchideenarten gibt. Wo es keine großen Tiere gibt, dafür aber eine riesige Pflanzenvielfalt. 
„Kreta war immer schon sehr begehrt“, fasst Tsirakaki zusammen: Die Insel gelte aufgrund ihrer strategischen Lage als Brücke zwischen Europa, Afrika und Asien und sei ein Knotenpunkt von Kultur und Geschichte; nur 300 Kilometer trennen Kreta vom afrikanischen Kontinent. 
Hier, wo es nach Oregano, Thymian und Salbei duftet und die Sonne auch Ende Oktober noch hält, was sie verspricht, können Besucher der Insel zwischen Zypressen, Zedern, Oleander, Oliven- und Johannisbrotbäumen einmal mehr die Schönheit der Schöpfung in sich aufnehmen – und auch ganz praktisch Wein, Olivenöl, Honig und Raki, die kretische Variante des Grappa, kosten. 
Maria Tsirakaki ist selbst Insulanerin, kennt sich aus in Mythologie und (Insel-)Geschichte. Sie liebt das wilde Kreta mit seinen stark zerklüfteten Fels- und Hügellandschaften, seinen Steilufern, Schluchten und ursprünglichen Dörfern ebenso wie die vielen (Traum-)Strände mit ihren malerischen Orten, die die sanfte Seite Kretas repräsentieren. 
„Auf was für einem Fundament stehe ich?“, fragte Martin Battert, Pfarrer und geistliche Begleitung der Heinrichsblatt-Leserreise, bei einem seiner morgendlichen Impulse. „Worauf baue ich mein Leben? Was trägt mich wirklich? Welche Rolle spielt Jesus Christus für mich?“ Fragen wie diese begleiten, beschäftigen, klingen nach. „Es lohnt sich“, so der 55-Jährige, „hin und wieder auch an die zu denken, die uns Halt geben im Leben.“ 
Bei solchen Reisen ist nicht nur Raum und Zeit, auch über Fragestellungen wie diese nachzudenken, sondern sich auch mit dem Gegenüber darüber auszutauschen. Denn nicht selten sind es die ungeplanten Gespräche und Begegnungen, etwa die bei einer gemeinsamen Mahlzeit oder im Bus, bei einem gemütlichen Stadtrundgang oder in der Kirchenbank, die Geschenk (von oben) sind und dankbar machen: wenn eine scheinbar zufällige Gemeinsamkeit offenbar wird, Menschen sich öffnen, die zuvor Unbekannte waren, Gemeinschaft und Nähe entsteht. 
„Kostbare Erinnerungen“, so Martin Battert, „die wir mitnehmen dürfen in unseren Alltag.“ 
Text und Fotos: Ulrike Schwerdtfeger