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Katholische Bischöfe mischen sich bei Sozialreformen ein

Berlin (KNA) - Die deutschen katholischen Bischöfe sind Beobachter der gesellschaftlichen und politischen Debatten. Sie verfassen Impulspapiere, davon fünf in diesem Jahr - überdurchschnittlich viele. Dass sie sich darüber hinaus im politischen Berlin vor die größtenteils säkulare Hauptstadtpresse setzen, ist eine Seltenheit. Genau dies taten sie am Donnerstag in der Bundespressekonferenz - der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer, der Augsburger Weihbischof Anton Losinger und der Berater und Wirtschaftsweise Martin Werding. "Wir sind dabei, wir helfen mit, wir bringen uns ein", betont Wilmer.

 

Leitgedanke des vorgestellten Sozialpapiers der Deutschen Bischofskonferenz mit dem Titel "Zusammenhalt durch Reformen sichern - Impulse für einen gerechten und verlässlichen Sozialstaat" sind Reformen ohne Spaltung. Es müsse um Lösungen gerungen werden; mit Respekt, einer neuen Sprache und ohne utopische Versprechen, so Wilmers Appell. Das von einer Arbeitsgruppe der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen verfasste Papier soll Mahnung und Anregung zugleich sein. "Die Bischöfe machen keine ganz konkreten Vorschläge", so Werding. Aber sie stellten eine Reihe von gut durchdachten Möglichkeiten vor.

 

Höhere Dringlichkeit

 

Es ist nicht das erste Papier der Bischöfe zu Sozialreformen. 2003 veröffentlichte die damalige Sozialkommission ein Papier mit dem Titel "Das Soziale neu denken - für eine langfristig angelegte Reformpolitik". Auch darin wurde die Notwendigkeit von Reformen betont. Auch dort hieß es: Eine Gesellschaft, die ihre sozialen Sicherungssysteme nicht neuen Herausforderungen anpasst, gefährdet ihren inneren Zusammenhalt. Ein weiteres aktuelles Kommissionspapier behandelt den Wert der Arbeit. Es ist ein Werben um gesellschaftlichen Zusammenhalt in polarisierten Zeiten. "Wir Bischöfe beobachten diese aufgeheizte und gereizte Diskussion mit Sorge", hebt Wilmer hervor.

 

Inzwischen habe sich die Dringlichkeit erhöht. Das Ganze solle, wie Wilmer sagt, "nicht gegen die Wand fahren". Dass die Kirche dabei immer lerne und sich auch der Blickwinkel verändere, gehöre dazu, erklären die Bischöfe. "Die Kirche versteht sich als Anwalt der Schwachen", so Losinger. Im Papier heißt es: "Jede Reform aber muss sich daran messen lassen, ob sie auch die Belange armer Menschen gerecht berücksichtigt und zur Verbesserung ihrer Lage beiträgt."

 

Opa, Enkel und die Generationengerechtigkeit

 

Die Bischöfe wollen nicht schwarzmalen. Auch wenn sie durchaus kritisch auf die amtierenden Politiker blicken. Sie wünschen sich weniger schrille Äußerungen und unerfüllbare Wahlversprechen. Das beschlossene Rentenpaket bezeichnen sie als "schwierigen Kompromiss". Aber: Der Sozialstaat sei eine kaum zu überschätzende Errungenschaft mit wirksamem System der Absicherung, bilanziert Wilmer.

 

Die Generationengerechtigkeit sehen die Bischöfe jedoch in einer Schieflage. Die Beitragssätze für Jüngere stiegen, bei der älteren Generation rutschten Rentner trotz jahrelanger Arbeit und Einzahlen in die Armut. "Priorisierung ist nötig, finanzielle Mittel sind endlich" und "weniger Gießkanne, mehr Zielgenauigkeit", so Losinger. Dabei dürfte keine Generation sich als Verlierer sehen. "Wenn der Opa den Enkel nicht mag und umgekehrt, dann ist ein Drei-Generationen-System im Umlageverfahren nicht möglich." Alle Reformen, die neue Steuern, Beiträge oder Schulden benötigten, müssten kritisch geprüft werden. Eine zusätzliche Neuverschuldung lehnen die Bischöfe ab.

 

Stattdessen plädieren sie für ein höheres Renteneintrittsalter, freilich mit Ausnahmen für körperlich schwer arbeitende Menschen. Darüber hinaus fordern sie einen fairen Lastenausgleich, nicht nur zwischen Jung und Alt, sondern auch zwischen reicheren und ärmeren Senioren durch "eine moderate Umschichtung zwischen höheren und niedrigeren gesetzlichen Renten".

 

Hoffnung statt Angst

 

Kritisch bewerten die Bischöfe die parallele Erhöhung von Rente und Löhnen sowie eine generelle Haltelinie, also das Stabilisieren der Rente für alle. Auch eine allgemeine Erhöhung des Rentenniveaus halten sie für ungeeignet. Stattdessen sei eine Haltelinie nur für Bezieher niedriger Renten denkbar. Private Vorsorge müsste gefördert und die Beamtenversorgung reformiert werden.

 

Hängen bleibt die Formulierung "Politik ist keine Harmonieveranstaltung". Alle demokratischen Kräfte trügen Verantwortung, den Reformdialog so zu führen, dass unnötige Ängste vermieden und Kompromisslinien gefunden würden, die die politische Handlungsfähigkeit erhielten. Heutzutage würden Streit, Konflikt und Debatte als Politikversagen angesehen, obwohl sie zum Wesen der Demokratie gehörten. Es brauche folglich neues Vertrauen in die Politik. Und Hoffnung. Denn, so Wilmer: "Ohne Hoffnung geht unsere Demokratie kaputt."