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Deutsche Seelsorger berichten von ihrem Weihnachtsfest in der Ferne

Bonn (KNA) – Für die katholische Kirche in Deutschland arbeiten rund 40 Seelsorgerinnen und Seelsorger an rund 60 Orten weltweit. Sie sind für die Seelsorge Deutscher im Ausland zuständig. Einige von ihnen berichten, wie sie Weihnachten unter ganz unterschiedlichen Bedingungen feiern: Zwischen tropischer Hitze, pulsierenden Metropolen und internationalen Gemeinden gewinnen sie neue Perspektiven auf das Fest - und entdecken zugleich, was ihnen in der Ferne besonders fehlt.

 

Neue Weihnachtsklänge in Tokio

 

Für den katholischen Auslandsseelsorger in Tokio, Mirco Quint, ist Weihnachten längst kein rein deutsches Familienfest mehr, sondern ein globales Ereignis voller Begegnungen. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) beschreibt er, wie sich sein Blick auf das Fest durch das Leben in der japanischen Millionenmetropole verändert hat.

"Als Kind war Weihnachten für mich vor allem ein Fest der Geborgenheit: Kerzenlicht, vertraute Lieder, die Familie um den Christbaum", erinnert sich Quint. "Weihnachten ist für mich in Tokio weniger ein rein familiäres Fest, sondern ein weltweites Zeichen: Gott kommt in unsere Nähe - und diese Nähe erfahre ich in einer internationalen Gemeinde, wo Menschen aus vielen Kulturen gemeinsam feiern."

 

In Tokio ist der 24. Dezember ein normaler Arbeitstag. Statt stiller Besinnlichkeit steht für Quint Organisationsarbeit an. "Mein Weihnachtsfest beginnt nicht mit einem stillen Heiligabend, sondern mit intensiver Vorbereitung: mehrsprachige Gottesdienste, Begegnungen mit Menschen aus aller Welt. Das Fest ist weniger privat, dafür umso stärker gemeinschaftlich geprägt." Die Mischung deutscher, japanischer und englischer Weihnachtslieder mache sein Fest besonders. Dennoch fehlt ihm ein vertrautes Gefühl: "Was ich vermisse, ist die Selbstverständlichkeit, mit der in Deutschland die ganze Gesellschaft zur Ruhe kommt - die stillen Straßen, das Gefühl, dass alle gleichzeitig feiern."

 

Quint beobachtet zudem eine zunehmende Konsumorientierung. Der Kern des Festes, die Zusage von Gottes Nähe "besonders zu den Schwachen und Ausgegrenzten", drohe verloren zu gehen. Gerade in seiner Auslandsgemeinde werde dieser Kern sichtbar: Viele seien fernab der Heimat oder lebten in schwierigen Situationen. "Weihnachten erinnert uns daran, dass Gott gerade dort gegenwärtig ist, wo Menschen sich nach Nähe und Hoffnung sehnen."

 

Kurze Hosen statt Winterjacke in Singapur

 

Der katholische Seelsorger Holger Adler erlebt Weihnachten in Singapur als Mischung aus tropischer Wärme, geschäftigem Alltag und religiöser Vielfalt. Die Stadt pflege eine ausgeprägte interreligiöse Kultur, sagte Adler der KNA. Weihnachten stehe dort gleichrangig neben anderen religiösen Festen. Dennoch sei die Metropole auffallend weihnachtlich geschmückt; Einkaufszentren seien "vielleicht etwas aufwendiger als in Deutschland" dekoriert, und schon ab Anfang November liefen bekannte Weihnachtslieder.

 

"An Weihnachten selbst haben, wie jeden Tag, alle Geschäfte offen, und in den Einkaufszentren ist viel los", berichtet er. Die katholischen Gemeinden feiern dennoch ihre Gottesdienste, allerdings mit weniger Besuchern, da viele Familien während der Schulferien nach Deutschland reisen. Adler schätzt das warme Klima: "Es ist wie jeden Tag herrlich warm bis heiß, man trägt kurze Hose und trinkt kühlende Getränke. Manche grillen oder genießen den Pool." Auf kulinarische Traditionen müsse er jedoch verzichten: "Ich vermisse natürlich ein bisschen die gute Hausmannskost, gerade an Weihnachten, aber bei der Hitze hier kann man sowieso nicht viel essen."

 

Christmette unterm Istanbuler Sternenhimmel

 

Der katholische Seelsorger der deutschsprachigen Pfarrei Sankt Paul, Pater Josua Schwab, erlebt die Kirche zu Weihnachten als dynamisch und lebendig. Nach einer großen Weihnachtsfeier mit 160 Kindern und Jugendlichen in einem Jugendhilfezentrum feiert er abends mit der deutschsprachigen Gemeinde die Christmette am Hirtenfeuer unter freiem Himmel. "Das ist immer eine ganz besondere Erfahrung", sagt Schwab der KNA. Anschließend geht es für ihn weiter zur Mitternachtsmette in die übervolle Kathedrale von Istanbul.

 

Besonders im Sakrament der Versöhnung zeigt sich für ihn die geistliche Tiefe des Festes. "Am Abend der Barmherzigkeit in der Adventszeit sind etwa 30 Priester in der Kathedrale, die gut zwei Stunden lang Beichte hören", erklärt Schwab. Die Menschen bereiteten sich "ganz innerlich und ehrlich" auf die Geburt des Herrn vor. Was er an Weihnachten am meisten vermisse? Familie und Freunde. In der Öffentlichkeit stehe oft das wirtschaftliche Potenzial von Weihnachten im Vordergrund, während "die Wahrheit darüber, was in der Nacht von Bethlehem an jenem Wendepunkt der Zeiten geschah, leise im Verborgenen" bleibe. Diese Wahrheit habe "ein Gesicht und einen Namen: Jesus Christus".

 

Als Kind ministrierte Schwab mit Begeisterung in der Christmette: "In einer vollen Kirche mit vielen brennenden Kerzen, wenn der Kirchenchor das Transeamus singt." Heute leitet er eine Jugendhilfeeinrichtung. Dort erschließe sich ihm die Botschaft von Weihnachten neu: "Christsein besteht nicht nur aus frommen Worten, sondern bedeutet, der Herzlichkeit Gottes ein konkretes Gesicht zu geben, in unserem Tun - das ist zutiefst weihnachtlich."

 

Thailand: Wechselnde "Weihnachtsfamilie"

 

Pater Andreas Bordowski erlebt Weihnachten in Bangkok völlig anders als in seiner deutschen Kindheit. "In meiner Kindheit war Weihnachten ein Fest der Familie, welches jedes Jahr gleich ablief, mit festen Ritualen, bis hin zum Speiseplan", sagt er der KNA. In Thailand sei dagegen jedes Fest neu: "Hier in Bangkok ist Weihnachten für mich jedes Jahr anders, vor allem weil sich auch die 'Gemeinde' jedes Jahr ändert." Viele Deutsche lebten nur wenige Jahre im Land, hinzu kämen zahlreiche Touristen, wodurch sich stets eine neue "Weihnachtsfamilie" bilde.

 

Überraschend vertraut wirkt auf ihn die Festdekoration: "Bezogen auf den überall präsenten Weihnachtsschmuck unterscheidet sich Bangkok nicht viel von deutschen Städten, vielleicht nur noch etwas bunter und auffälliger." Auch die Gottesdienste ähnelten denen der Heimat; die deutschen Weihnachtslieder würden "mit Inbrunst" gesungen. Was ihm persönlich am meisten fehle, sei eindeutig: "echte Weihnachtstannenbäume". Kunststofftannen und Tannenduftspray könnten die echten nicht ersetzen.

 

Besonders fällt Bordowski die Entkoppelung von öffentlicher Weihnachtsfeier und religiösem Ursprung auf. "Die feste Präsenz und 'Zelebration' des Weihnachtsfestes in der breiten Öffentlichkeit bei gleichzeitig größer werdender Ahnungslosigkeit über Bedeutung und Ursprung des Festes" sei sehr deutlich. Überall werde 'Christmas' enthusiastisch gefeiert - aber ohne Wissen um die christliche Botschaft. Geschenke würden oft schon Anfang Dezember verteilt, und "oft beginnt der Abbau der Weihnachtsdekoration bereits am 26. Dezember".

 

Plastikbaum statt Tannenduft in Brasilien

 

Der aus Bayern stammende Auslandseelsorger Georg Pettinger lebt seit über 15 Jahren in Brasilien. Die ersten Weihnachtsfeste im heißen Norden des Landes seien für ihn eine große Umstellung gewesen. "Nahe am Äquator ist im Dezember Hochsommer. Da gibt es keinen Glühwein und keine Rorate-Messen", sagte er der KNA. Viele vertraute Bilder ließen sich bei Temperaturen nahe vierzig Grad kaum vermitteln. "Dass Maria bei der Herbergssuche in der Kälte unterwegs war, lässt sich am Strand unter Palmen nur schwer erzählen."

 

Der Advent spiele traditionell eine geringere Rolle, habe aber gesellschaftlich an Bedeutung gewonnen - geprägt von amerikanischen Einflüssen wie Weihnachtsmann und üppiger Dekoration. In seiner früheren Gemeinde sei Weihnachten vor allem arbeitsintensiv gewesen: "Ich war als einziger Priester für 42 Gemeinden zuständig. Weihnachten bedeutete damals vor allem: ständig unterwegs sein."

 

In São Paulo erlebt er nun vertrautere Elemente: "Wir bauen in unserer Kirche eine Krippe auf, singen deutsche Weihnachtslieder und haben sogar einen Weihnachtsstern. Der hält in der Hitze allerdings nicht lange." Trotzdem bleibe spürbar, dass Weihnachten fern der Heimat anders ist. "Die Christkindlmärkte und Plätzchen fehlen mir", sagt Pettinger. "In Deutschland verbinde ich Weihnachten mit Mandelduft und dem Geruch des Christbaums." Ein Plastikbaum könne damit nicht mithalten.

 

Südafrika - ohne stressende Weihnachtspost

 

Der deutsche Auslandseelsorger Benedikt Hülsmann feiert Weihnachten in Johannesburg und Pretoria - unter Bedingungen, die sich deutlich von der winterlichen Weihnacht in Deutschland unterscheiden. "Sonst ist aber gar nicht so viel anders, außer, dass wir keinen Glühwein trinken - zum Glück", sagt er der KNA. In Südafrika werde an Weihnachten gegrillt, und häufig folge darauf ein Sprung in den Pool. Auch Weihnachtslieder wie "Stille Nacht" gehörten im afrikanischen Sommer selbstverständlich dazu. Hülsmann räumt ein, es sei "etwas eigenwillig", bei Temperaturen von 30 Grad vom Schnee zu singen.

 

Einige Kindheitserinnerungen begleiten den Norddeutschen bis heute - auch im Süden Afrikas. Besonders der "bunte Teller mit Marzipan, Mandarinen und Apfelsinen, Nüssen, Goldtalern und Schokolade" aus seiner Kindheit habe für ihn weiterhin eine besondere Bedeutung: "So einen Teller finde ich auch 50 Jahre später noch schön." Umso mehr freue es ihn, dass er auch in Südafrika nicht darauf verzichten müsse. Auch die emotionale Grundstimmung der Feiertage - Freude und Schwere zugleich - erinnere ihn an frühere Jahre und finde sich, wie er sagt, in seiner Gemeinde wieder.

 

Der südafrikanische Kontext schärfe zudem seinen Blick für die Weihnachtsbotschaft. "Wir verlieren aus dem Blickfeld, dass unser Gott ein Flüchtling war", betont Hülsmann. Armut und Perspektivlosigkeit gehörten zu seinem Alltag; besonders die Situation junger Menschen im Land belaste ihn: "Ich würde sagen, dass bis zu 70 Prozent, die offizielle Statistik ist niedriger, keine Arbeit finden." Trotz dieser Herausforderungen berühre ihn immer wieder die Freundlichkeit der Menschen.

 

Seinen eigenen Heiligabend verbringt Hülsmann nach den Gottesdiensten bei Freunden - Geschenke spielen dabei kaum eine Rolle. Und auch organisatorisch bringt sein Einsatzort eine unerwartete Erleichterung mit sich: "Weihnachtspost brauche ich nicht zu erledigen, weil unsere Post in Südafrika nicht funktioniert; das ist wunderbar entlastend", sagt er.

 

Weihnachtsmesse im Schiffstheater

 

An Bord eines Kreuzfahrtschiffs verläuft der 24. Dezember wie ein gewöhnlicher Urlaubstag. "Zunächst ist der 24. Dezember ein ganz normaler Tag mit dem üblichen Reiseprogramm", sagt Kreuzfahrtpfarrer Heinz-Norbert Hürter der KNA. Bildungsangebote, Sport und Ausflüge prägten den Tag, "bis dahin erinnert wenig an einen klassischen Heiligabend".

 

Erst am Abend stellt sich festliche Stimmung ein: Nach dem Dinner präsentiert das Showensemble der Crew Akrobatik, Tanz und Gesang. Seit einigen Jahren steuert Hürter einen kurzen geistlichen Impuls zu dieser Weihnachtsshow bei. "Ich sehe in dieser Christmette light eine wunder-volle Chance", sagt er. Anschließend findet im Schiffstheater ein ökumenischer Weihnachtsgottesdienst statt.

 

Trotz der vielen Menschen an Bord bleibe am Heiligen Abend der Wunsch nach Nähe und Vertrautheit groß - auch bei ihm selbst. "Die Sehnsucht nach Geborgenheit, Wärme, Gemeinschaft und oft auch nach Nähe ist geblieben." Viele Gäste schließen sich zu kleinen Tischgemeinschaften zusammen und besuchten gemeinsam die Christmette, berichtet Hürter. Für ihn fühlt sich Weihnachten auf See dadurch vertraut an. Anders ist, dass er an den Festtagen häufiger zum Handy greife, um Kontakt zu Familie und Freunden zu halten.

 

Sein Verständnis von Weihnachten sei geprägt von seiner großzügigen Großmutter, die beim Schenken nie bis zum Abend warten konnte. Diese Freude am Geben wünscht sich Hürter heute wieder stärker in der Gesellschaft. Jeder Mensch habe etwas zu schenken - "sei es Materielles, Zeit, Begabungen oder Interesse".

 

Im Vergleich zum Gemeindeleben daheim erlebt Hürter auf See vor allem eines: großen Gesprächsbedarf. Die besondere Dynamik einer Kreuzfahrt sei die "Begegnung auf Zeit" - sie erleichtere Vertrauen und mache vieles offener, sagt der Seelsorger.