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Sternsingen - Warum TV-Moderator Willi Weitzel sich dabei engagiert

Reporter Willi Weitzel ist für die Aktion Dreikönigssingen nach Bangladesch gereist. „Sternsingen gegen Kinderarbeit – Willi in Bangladesch“ heißt sein Film. Foto:  K M Asad, ich.tv / Kindermissionswerk
Reporter Willi Weitzel ist für die Aktion Dreikönigssingen nach Bangladesch gereist. „Sternsingen gegen Kinderarbeit – Willi in Bangladesch“ heißt sein Film. Foto: K M Asad, ich.tv / Kindermissionswerk

Aachen/ Berlin (KNA) - Reporter Willi Weitzel (52) hat Kindern schon per Film erklärt, wie ein Knast von innen aussieht, Plastiktüten hergestellt werden oder eine Kläranlage funktioniert.

 

Seit 14 Jahren ist der Moderator von "Willi wills wissen" für die Sternsinger auf Weltreise und stellt das jeweilige Land, das im Zentrum der Spendenaktion des Kindermissionswerk steht, in einem Film vor.

 

In der diesjährigen Aktion rund um den 6. Januar ziehen Kinder, verkleidet als die Heiligen Drei Könige aus der Weihnachtsgeschichte, von Tür zu Tür und sammeln unter anderem Geld für Kinder in Bangladesch. Dort arbeiten mehr als 1,8 Millionen Kinder, versteckt als Haushaltshilfen, in Fabriken oder in der Landwirtschaft.

 

Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach mit dem Filmproduzenten Weitzel über seine Reise in das südasiatische Land, seine eigene Erfahrung als Sternsinger - und warum es wichtig ist, Kindern Mitgefühl zu vermitteln.

 

Herr Weitzel, warum engagieren Sie sich für die Sternsinger?

Willi Weitzel: Das war ein schöner Zufall oder vielleicht auch eine Fügung: Vor ein paar Jahren ereilte mich ein Anruf von den Sternsingern, und die fragten: 'Hey Willi, hast du nicht Lust, für uns in die weite Welt zu reisen und dort Kinder zu besuchen und zu befragen?' Damit ging für mich ein Kindheitstraum in Erfüllung. Und wenn ich jetzt mit den Sternsingern in abgelegene Orte reise, erinnere ich mich immer daran.

 

Sie waren als Kind selbst Sternsinger... welcher denn am liebsten: Kaspar, Melchior oder Balthasar?

Ich war wahrscheinlich der, den der Älteste der Gruppe mir zugewiesen hat: 'Weitzel, Du machst den Kaspar.' Vielleicht, weil ich 'eh oft der Kasper war. Jedenfalls war es für mich nicht irgendwie fremd, dass Sternsinger anrufen. Es gibt ja immer noch Menschen, wenn man denen etwas von den Sternsingern erzählt, dann sagen die: 'Ach so, wie, kenne ich nicht.' Aber es kommt natürlich darauf an, wo man lebt und ob da Sternsinger aktiv sind.

 

Wussten Sie als Kind, was mit dem Geld passiert, das Sie als Sternsinger gesammelt haben?

Nein, ich war ein eifriger Sternsinger, hatte aber überhaupt keine Ahnung, was wir da eigentlich machen. Wenn wir an der Tür gefragt wurden, wofür wir sammeln, dann hat das vielleicht der Älteste aus der Gruppe gewusst, und man hat da so mitgenickt, war aber eher auf die Süßigkeiten fixiert, die man von den Leuten geschenkt bekommen hat.

Deshalb dachte ich, ich habe hier eine einmalige Chance, den Kindern über den Film einfach zu erklären, was mit dem Geld passiert, das sie sammeln. Und auch diese ferne Lebenswelt, in der andere Kinder leben, den Kindern hierzulande zu vermitteln.

 

In der diesjährigen Aktion geht es um Bangladesch und Kinderarbeit. Warum dieses Land?

Eine unglaublich große Zahl von Kindern weltweit - so um die 140 Millionen - müssen arbeiten, sie haben nichts von ihrer Kindheit. In Bangladesch betrifft das mehr als 1,8 Millionen Kinder, die versteckt als Haushaltshilfen, in Fabriken oder in der Landwirtschaft arbeiten. Sie können nicht in die Schule gehen, lernen nicht lesen und schreiben. Man ist nur einmal Kind, und diese Kindheit wird ihnen genommen. Und ihnen fehlt wegen der mangelnden Bildung auch später der Schlüssel für ein besseres Leben.

 

Wie war Ihr Eindruck vor Ort?

Bangladesch ist ein Land, das unglaublich voll ist, überall sind Menschen. Es ist nicht einmal halb so groß wie Deutschland, hat aber doppelt so viele Einwohner, etwa 170 Millionen.

Und es war auch deshalb spannend, weil wir dort in ein Land gekommen sind, das gerade eine große Krise durchmacht. Die Menschen haben Präsidentin Sheikh Hasina, die korrupt war, vergangenes Jahr aus dem Land gejagt. Es gibt eine Übergangsregierung, aber alles ist relativ instabil.

 

War es deshalb schwierig, dort zu drehen?

Dadurch, dass das Land gerade so in einem Umbruch ist, sieht man keine Polizei, und es gibt keine Kontrollen - aus Angst, dass die Bevölkerung wieder aufbegehrt. Dadurch hatten wir das Glück, dass wir uns frei bewegen und in alle möglichen Winkel gucken konnten, um arbeitende Kinder in Fabriken zu filmen.

 

Sie haben dabei auch Tazim getroffen, der zwölf Jahre alt ist und elf Stunden täglich in einer Fabrik Aluminiumtöpfe herstellt. Für den ganzen Tag bekommt er umgerechnet rund 1,50 Euro. Wie ist das nach einer solchen Begegnung, wenn Sie wieder zurück nach Deutschland fliegen?

Ich fühle mich schlecht, wenn ich weggehe. Ich komme rein in das Leben der Kinder, bin dankbar, dass sie mir ihr Herz öffnen und überlasse sie dann wieder ihrem Schicksal, wenn ich gehe. Und das fühlt sich nicht gut an - auch wenn ich weiß, dass ich ihre Geschichten in die Welt trage und ihnen das vielleicht hilft.

 

Warum ist es wichtig, Kindern in Deutschland Mitgefühl zu vermitteln und sie dafür zu sensibilisieren, dass es in anderen Teilen der Welt Kinder gibt, denen es nicht gut geht?

Kinder sollten wissen, dass eine globale Welt nicht nur bedeutet, dass sie in Bangladesch für uns die Klamotten nähen. Sondern globaler Zusammenhalt bedeutet auch, dass wir Menschen in ärmeren Ländern etwas abgeben von dem, was wir mehr haben. Das darf man sich durchaus zu solchen Gelegenheiten bewusst machen: Wir haben einfach mehr.

 

Kinderarbeit ist in Bangladesch offiziell verboten, dennoch arbeiten dort weit mehr als eine Million Kinder. Warum?

Bei Tazim etwa ist es so, dass er zur Schule gegangen ist, bis er zehn war. Dann wurden seine Eltern krank. Um den Lebensunterhalt für die Familie zu verdienen, hat er in der Fabrik angefangen. Das hat mir der Leiter der Fabrik erzählt. Er sagte, er finde es auch schrecklich, wenn Kinder arbeiten müssen, aber er versuche, der Familie zu helfen. Wenn es rauskäme, bekomme er große Probleme.

Es gibt keine einfache Lösung für diese Armut. Es existieren dort ganz viele solcher Hinterhoffabriken. Und: Es ist immer noch sicherer, dass die Kinder in einer Fabrik arbeiten, als wenn sie etwa als Dienstmagd in einen Haushalt kommen, wo keiner mehr auf sie achtgeben kann. Da sind sie dann auch noch potenziellem Missbrauch ausgeliefert.

 

Die Sternsinger - das ist ja ursprünglich eine Aktion von katholischen Christen...

Ja. Es können aber alle mitgehen, die Lust haben, Kaspar, Melchior oder Balthasar zu sein - ganz egal, was sie glauben oder auch nicht glauben. Man muss sich einfach an eine katholische Gemeinde im Heimatort wenden, die das Sternsingen organisiert.

Übrigens ist die Aktion natürlich auch überreligiös, was die Spenden anbelangt. Bangladesch, für das in diesem Jahr gesammelt wird, ist schließlich ein mehrheitlich muslimisches Land.

 

Denken Sie noch manchmal an die Kinder, die Sie bei Ihren Reisen treffen?

Die wachsen mir natürlich unglaublich ans Herz. Ich hab jetzt gerade einen Gruß aus Bangladesch von Tazim bekommen und ja, da klopft mein Herz ganz doll.