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Wie Angehörige mit Demenzkranken über den Tod sprechen können

Köln/Speyer (KNA) – In Deutschland leben laut Deutscher Alzheimergesellschaft etwa 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Auch sie sind von Verlust und Trauer betroffen, wenn zum Beispiel der Ehepartner stirbt. Doch wie können Angehörige mit ihnen über den Tod sprechen? Sollten sie das überhaupt? Zwei Expertinnen geben Auskunft.

Marlene Henken hat einen ambulanten Hospizdienst für Menschen mit Demenz in Köln aufgebaut und ist heute als Supervisorin und Trainerin tätig. Iris Sebastian arbeitet bei den Diakonissen Speyer zu Demenz und palliative Begleitung. Dort leitet sie das Autorisierte Zentrum für Validation.

 

Sollte man dementen Menschen vom Tod einer nahestehenden Person erzählen - auch wenn sie diese Information nicht begreifen oder wieder vergessen werden?

Angehörige wollen Menschen mit Demenz oft vor negativen Gefühlen beschützen, sagt Trainerin Henken. Bei allem Verständnis rät sie jedoch dazu, mit dem oder der Dementen über den Tod zu sprechen: "Jeder sollte die Möglichkeit bekommen, um einen geliebten Menschen zu trauern." Zumal Demenzkranke ohnehin oft spürten, dass etwas nicht stimmt - dass zum Beispiel die Familie in Trauer ist. Zentrumsleiterin Sebastian stimmt zu; sie spricht von emotionaler Intelligenz: "Die Gefühle werden ja nicht dement."

 

Wie lässt sich so ein Gespräch führen?

Henken rät dazu, die Nachricht in einer ruhigen Situation zu überbringen und auf individuelle Bedürfnisse zu achten. Zum Beispiel seien viele ältere Menschen morgens aufnahmefähiger als später am Tag. Zudem müsse nicht unbedingt jedes Detail berichtet werden. Demenzerkrankte reagierten häufig besser auf Emotionen als auf Informationen. "Man kann dem anderen Raum anbieten für seine Gefühle, zum Beispiel mit einem Ritual. Man kann ein Foto zeigen oder ein gemeinsames Lied singen. Und den Tränen Raum lassen", sagt die Trainerin.

 

Und wenn ich es nicht schaffe, über den Tod der Person zu sprechen?

Dann kann man sich Hilfe an die Seite holen, rät Sebastian von den Diakonissen. Das kann ein weiterer Verwandter oder eine Pflegekraft im Seniorenheim sein. "Oder man wartet darauf, bis der Mensch aktiv nach der Person fragt." Dann können Angehörige die Frage auf der Gefühlsebene aufgreifen, etwa so: "Machst du dir Sorgen?" oder: "Kannst du dir vorstellen, dass er gestorben ist?"

 

Was ist, wenn sich das Gegenüber zunächst nicht an den Verstorbenen erinnert - auch wenn es der eigene Ehepartner war?

"Das ist für Angehörige ein schmerzlicher Moment und eine Unsicherheit", sagt Trauerbegleiterin Henken. "Indem wir gemeinsam innehalten, Erinnerungen teilen und Gefühle zulassen, entsteht ein geschützter Raum, in dem Trauer zum Beispiel durch eine liebevolle Umarmung spürbar werden darf." Es komme weniger darauf an, dass der Demente die Situation verstehe, sondern darum, eine Möglichkeit zur Trauer zu eröffnen - und an der Trauer in der Familie teilzuhaben.

 

Was tue ich, wenn der oder die Demente das Gespräch am nächsten Tag vergessen hat und nach der verstorbenen Person fragt?

Dann müssen die Angehörigen nicht immer wieder vom Tod berichten, findet Henken. Vor allem, wenn der Angesprochene beim ersten Mal mit großer Trauer reagiert hat. "Das ist die größte Sorge der Angehörigen: dass der Verlust immer wieder erlebt wird." Stattdessen könne man versuchen, auf die Gefühlsebene einzugehen: "Du hast gerade nach Papa gefragt. Du vermisst ihn sehr. Ich vermisse ihn auch."

 

Sollte die erkrankte Person an der Beerdigung teilnehmen?

Wenn er oder sie das möchte, ja, sagt Zentrumsleiterin Sebastian - und verweist auf die Schwere der Demenz. Wer verstehe, dass der Partner gestorben ist, wolle sicherlich auch bei der Beerdigung dabei sein. "Dann sollte man das so einem Menschen nicht verwehren", findet die Expertin. "Der Tod gehört zum Leben dazu und sollte nicht ausgeklammert werden."

 

Wie reagieren, wenn jemand Dinge sagt wie: "Mit mir geht es zu Ende" oder: "Ich hab' nicht mehr lange"?

"In solch sensiblen Momenten ist es wichtig, offen zu sein und dem Menschen die Möglichkeit zu geben, über Bedürfnisse und vielleicht auch Ängste zu sprechen", sagt Henken. Alte Menschen wollten oft noch einmal über ihr Leben sprechen. Das könnten auch kostbare Momente für Angehörige sein, in denen Nähe entstehe.