Berlin (KNA) – Das absehbare Aus für zusätzliche Unterstützung des Staates für Betroffene von Missbrauch stößt auf deutliche Kritik. Kirchen, Betroffeneninitiativen und weitere Organisationen forderten am Dienstag in einem Offenen Brief weitere Hilfen. Hintergrund ist, dass im Haushaltsentwurf für 2026 keine Mittel mehr für die Weiterführung des Fonds Sexueller Missbrauch eingeplant sind. Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) kündigte an, bis Januar einen Vorschlag für eine Lösung vorzulegen.
Der Fonds war 2013 eingerichtet worden. Betroffene können Hilfen beantragen, die über Leistungen der Kranken- oder Pflegekassen oder andere Unterstützungen hinausgehen. Der Bundesrechnungshof hatte jedoch die Ausgestaltung des Fonds kritisiert.
Prien verwies darauf, dass im Haushalt für dieses und das kommende Jahr weiterhin 53 Millionen Euro für sogenannte ergänzende Hilfen eingeplant seien. Bis Ende 2028 stünden rund 170 Millionen Euro zur Verfügung, und damit so viel, wie zwischen 2013 und 2024 insgesamt ausgezahlt worden sei.
Beauftragte kritisiert Antragsstopp
Die Unabhängige Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus kritisierte, dass das Geld nur für bereits bewilligte Anträge von Betroffenen zur Verfügung stehe. Für den Fonds gelte seit März ein Antragsstopp. Nötig sei daher eine Übergangsregelung, bis eine gesetzliche Lösung für eine Weiterführung des Fonds da sei. Es brauche ein klares Signal an die Betroffenen, dass es zusätzliches Geld für neue Anträge im Haushalt 2026 gebe. Nötig wären etwa 35 Millionen Euro.
Die Beauftragte betonte zudem, dass sich CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag eigentlich auf eine Fortführung des Fonds geeinigt hatten. Das Angebot sei extrem niedrigschwellig, so Claus. Die Hürden für andere Formen der Opferentschädigung seien für Missbrauchsbetroffene oftmals zu hoch, da die meist lange zurückliegenden Taten nur sehr schwierig nachzuweisen seien.
Schreiben an Claus und Fraktionschefs
Der Fonds sei häufig die einzige Möglichkeit für von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend Betroffene, eine Form der staatlichen Anerkennung und Unterstützung zu erhalten, schrieben auch die Kirchen und verschiedene Organisationen in ihrem Offenen Brief. Daher habe der Fonds eine besonders große Bedeutung und müsse weitergeführt werden.
Das Schreiben richtet sich an die beiden Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD im Bundestag, Jens Spahn und Matthias Miersch, sowie an die Beauftragte Claus. Unterschrieben haben es neben der evangelischen und der katholischen Kirche sowie mehreren kirchlichen Verbänden unter anderem auch Betroffeneninitiativen, Sportverbände und der Kinderschutzbund.
Die Beauftragte Claus und die beiden Fraktionschefs werden in dem Brief gebeten, sich mit den Unterzeichnern an einen Tisch zu setzen und eine Lösung für die Fortführung des Fonds im kommenden Jahr zu finden.
Prien: Änderungen nicht mehr realistisch
Ministerin Prien sagte hingegen, sie halte es nicht für realistisch, dass es nach der entscheidenden Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestags in der vergangenen Woche nun bis zum endgültigen Beschluss in der kommenden Woche in dieser Frage noch zu Änderungen am Etat für 2026 kommen werde. Wenn es eine Mehrheit für eine rechtssichere Lösung im kommenden Jahr gebe, könnten im Haushalt 2027 zusätzliche Mittel eingestellt werden, so die Ministerin.
Auch der Betroffenenbeirat bei der katholischen Deutschen Bischofskonferenz kritisierte die Haushaltsentscheidung als "fatales gesellschaftliches Signal". Der Fonds sei "ein unverzichtbares Instrument, um notwendige therapeutische, medizinische oder soziale Hilfen zu erhalten".
