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Der 9. November – ein deutscher Schicksalstag

Rabbinerin Antje Yael Deusel (von links), Marcel Weißenfels von der liberalen jüdischen Gemeinde, Rabbiner Salomon Almekias-Siegl sowie Bambergs drei Bürgermeister Wolfgang Metzner, Andreas Starke und Jonas Glüsenkamp beim Gedenken. Foto: Kemmer
Rabbinerin Antje Yael Deusel (von links), Marcel Weißenfels von der liberalen jüdischen Gemeinde, Rabbiner Salomon Almekias-Siegl sowie Bambergs drei Bürgermeister Wolfgang Metzner, Andreas Starke und Jonas Glüsenkamp beim Gedenken. Foto: Kemmer

Bamberg (kem) – Was könnte der 9. November nicht für ein freudiger und feierlicher Tag in Deutschland sein. 1918 war es der Beginn der ersten deutschen Republik. 1923 wurde der so genannte Hitler-Putsch erfolgreich niedergeschlagen und 1989 fiel die Berliner Mauer und vereinte so die DDR und die BRD wieder zu einer Nation. Doch auf dem Tag liegt ein großer Schatten: 1938 brannten im ganzen Land Synagogen. Jüdische Geschäfte wurden geplündert und demoliert. Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. 

 

„Der 9. November 1938 markiert den Tag, an dem die menschenverachtende Judenverfolgung der Nationalsozialisten endgültig in Gewalt umschlug“, so Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke bei der offiziellen Gedenkveranstaltung der Stadt auf dem Synagogenplatz am vergangenen Sonntag. Es wirke für ihn wie ein Wunder, dass „nach dem Nazi-Terror jüdisches Leben wieder möglich war“.

 

Dennoch mahnte Starke, dass dieses Leben in jüngerer Vergangenheit wieder nur unter widrigsten Bedingungen stattfinde. Kulturveranstaltungen, Gottesdienste und Zusammenkünfte könnten nur unter Polizeischutz stattfinden. Streifen stünden vor jüdischen Schulen, Kindergärten oder Cafés. Selbst bei der Gedenkveranstaltung wurde von der Polizei für Sicherheit gesorgt. „Was macht das mit den jüdischen Kindern, wenn sie täglich mit dieser Polizeipräsenz konfrontiert werden? Es gibt eine ganze Generation von Jüdinnen und Juden, die öffentliches Leben in Deutschland nur so kennt“, mahnte der Oberbürgermeister. 

 

Diese Mahnung griff auch Salomon Almekias-Siegl, Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde in Bamberg, auf. Er freue sich, dass ihn sein Weg vor 40 Jahren nach Deutschland geführt habe und er sieht Bamberg als seine Heimat an. Dennoch habe er – vermehrt nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 – wieder Angst, mit seiner Kippa durch die Straßen zu laufen. „Wie kann es sein, dass es wieder zu einer so ungebremsten Steigerung des Antisemitismus in Deutschland kommen kann“, fragte der Rabbiner. 

 

Auch seine Kollegin Antje Yael Deusel, Rabbinerin der liberalen jüdischen Gemeinde in Bamberg, sprach in die gleiche Richtung. Seit dem Massaker sei der Antisemitismus in Deutschland regelrecht „explodiert – an den Schulen, an den Universitäten, am Arbeitsplatz, auf der Straße“. Und auch nach dem Ende des Gaza-Krieges werde sich die Situation kaum ändern. „Der Krieg war nicht die Ursache , er war lediglich Anlass für den Judenhass –wieder einmal. Und wir denken zutiefst erschrocken an den 9. November 1938“, so Deusel, die bereits zuvor mit Schülerinnen der Maria-Ward-Schulen an den Stolpersteinen der Familien Hess (Austraße) und Saalheimer (Willy-Lessing-Straße) den Opfern und Vertriebenen des Nationalsozialismus gedacht hatte. „Die Alarmglocken läuten längst wieder nur nicht alle wollen sie hören.“

 

Deusel sah aber auch Hoffnung für die Zukunft. Gerade die Beiträge während der Gedenkveranstaltung von Schülerinnen und Schülern aus dem Dientzenhofer-, dem Eichendorff- und dem Franz-Ludwig-Gymnasium sowie der Maria Ward Schulen, die Bambergerinnen und Bambergern jüdischer Abstammung gedachten, machten ihr Mut, dass unter die Vergangenheit kein Strich gezogen werde. „Mit der Erinnerung alleine, so wichtig sie ist, ist es nicht getan“, sagte die Rabbinerin. 

 

„Wir müssen aus dem, was geschehen ist, lernen. Damit die Botschaft der Vergangenheit nicht in einem ,Es war einmal‘ erstarrt.“ Wir alle sollten wahrnehmen, was um uns herum vor sich geht und dürfen nicht wegsehen. Oder wie OB Starke am Ende appellierte: „Gemeinsam wollen wir dafür Sorge tragen, dass Bamberg eine offene, friedliebende und fürsorgliche Stadt bleibt, in der wir achtsam sind und in der es sich lohnt zu leben. Mit Respekt, Toleranz und Frieden.“