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Evangelische Kirche positioniert sich friedensethisch neu

Dresden (KNA) – Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat sich friedensethisch neu positioniert - etwa beim Thema Atomwaffen. Unter dem Titel "Welt in Unordnung - Gerechter Frieden im Blick" stellte der Rat der EKD am Montag in Dresden eine neue Friedensdenkschrift vor. Das Grundlagenpapier ist die erste große friedensethische Positionierung der deutschen Protestanten seit 2007. Darin bekennt sich die Evangelische Kirche zum Vorrang des "Gerechten Friedens".

 

Wie die EKD-Ratsvorsitzende, die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, sagte, will das Papier einen Kompass für individuelle Gewissensentscheidungen geben. "Wir haben das Leitbild des gerechten Friedens entfaltet, mit dem Vorrang des Schutzes vor Gewalt", sagte Fehrs. "Ein Staat darf und muss die Werkzeuge zur Verfügung haben, um seine Bürgerinnen und Bürger zur Not vor Gewalt zu schützen - deren Anwendung kann aber nur das letzte Mittel sein."

 

Dilemma bei Atomwaffen

 

Fehrs betonte: "Atomwaffen gehören weltweit abgeschafft." Allerdings stecke man in einem Dilemma, würde man dies sofort umsetzen: Dann könnten sich Staaten zum Angriff ermutigt fühlen. "Der Besitz von Nuklearwaffen kann aber angesichts der weltpolitischen Verteilung dieser Waffen trotzdem politisch notwendig sein, weil der Verzicht eine schwerwiegende Bedrohungslage für einzelne Staaten bedeuten könnte", heißt es in der Denkschrift.

 

Der Friedensbeauftragte der EKD, der mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer, hätte sich nach eigenen Worten gewünscht, die EKD wäre bei einem kategorischen Nein zu Atomwaffen geblieben.

 

Dem Dokument zufolge sind nachhaltiger Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit nur dann erreichbar, wenn körperliche Unversehrtheit und der Erhalt staatlicher Integrität gesichert sind. "Gerechter Frieden ist mehr als Abwesenheit von Krieg", sagte Fehrs. "Es bleibt ein Gebot der Nächstenliebe, dass wir Menschen, die an Leib, Leben und ihrer Würde bedroht sind, nicht schutzlos der Gewalt ausgesetzt lassen."

 

In der Debatte der EKD-Synode sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Katrin Göring-Eckardt: "Wir können die, die unter die Räuber gefallen sind, nicht einfach da liegen lassen." Gewalt anzuwenden, sei nicht möglich, ohne schuldig zu werden, sagte Fehrs. "Aber auch Menschen oder Staaten machen sich schuldig, die Gewalt zulassen und Menschen nicht vor ihr schützen." In der Denkschrift heißt es: "Die Entscheidung zu Waffenlieferungen und Rüstungsexporten wird sich daran messen lassen müssen, dass eine Eskalation der Gewalt vermieden wird."

 

Warnung vor hybrider Kriegsführung

 

Gewarnt wird in dem Papier vor einer wachsenden Gefahr hybrider Kriegsführung. Durch Desinformation, digitale Manipulation und gezielte Polarisierung drohe die Aushöhlung demokratischer Strukturen. Notwendig sei eine europäische Gesamtstrategie.

 

Bei christlichen Friedensgruppen stieß die Denkschrift auf Kritik. Der Text setze eine neue Priorität beim Schutz vor Gewalt, unterstreiche eine Notwendigkeit militärischen Handels und unterschätze die Möglichkeiten ziviler Konfliktbearbeitung, so die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF).

 

Hingegen sagte der Bundesvorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU, das EKD-Ratsmitglied Thomas Rachel, die neue Friedensdenkschrift zeichne "ein realistisches Bild der umfassenden globalen Friedensbedrohungen und der militärischen und existenziellen Gefährdungslagen der Gegenwart".

 

Angesichts einer aus seiner Sicht weltweiten Tendenz zur Instrumentalisierung und politischen Ideologisierung von Kirche und Christentum hätte er sich nach eigenem Bekunden allerdings "ein paar mehr Ausführungen und auch selbstkritischere Konkretisierungen" gewünscht: "Denn vom Moskauer Patriarchen Kyrill bis zur MAGA-Bewegung in den USA zeigt sich derzeit wieder die ganze Problematik der Missbrauchsanfälligkeiten auch im Christentum."