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Studie lobt Entwicklung des Bistums Augsburg im Umgang mit Missbrauch

Augsburg (KNA) - In mehr als einem Drittel der Fälle ist die Augsburger Bistumsleitung mit dem Thema Missbrauch seit 1948 unangemessen umgegangen, etwa durch Vertuschung. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Donnerstag vorgelegte Studie der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Diözese.

 

Dieser Wert - 35,48 Prozent - dürfe nicht undifferenziert auf alle Augsburger Bischöfe seit 1948 übertragen werden, betonte der Kommissionsvorsitzende Hubert Paul bei einer Pressekonferenz. Seit Amtsantritt des aktuellen Bischofs Bertram Meier 2020 habe man kein unangemessenes Verhalten mehr festgestellt.

 

Anders in der Zeit davor: In den Amtszeiten der Bischöfe Joseph Freundorfer (1949-1963), Josef Stimpfle (1963-1992) und Viktor Josef Dammertz (1993-2004) gab es laut Studie in 54,5, 63,6 und 68,6 Prozent der Fälle unangemessenes Verhalten der Diözesanleitung - die Generalvikare, also die Bischofsstellvertreter, eingerechnet.

 

Ab 2002 setzte Paul zufolge ein Paradigmenwechsel ein. Nicht mehr die Interessen der Kirche, sondern die Betroffenen seien langsam in den Fokus gerückt. Von 2005 bis 2010 war dann Walter Mixa Bischof - dieser Zeit attestiert die Kommission einen relativ niedrigen Wert von 33,3 Prozent. Unter Konrad Zdarsa (2010-2019) sank er demnach noch weiter: auf 5,9 Prozent. Und seit Bertram Meiers Amtsantritt vor fünf Jahren: alles regelkonform. Die Studie ist auf www.aufarbeitungskommission-augsburg.info veröffentlicht.

 

Zwei Drittel der Betroffenen männlich

 

Untersucht wurden den Angaben zufolge 193 Taten zum Nachteil von 156 Betroffenen, davon zwei Drittel männlich. "42,5 Prozent der Betroffenen waren Kinder unter 14 Jahren", hieß es. Die Taten seien 77 Beschuldigten beziehungsweise Tätern zuzuschreiben, davon niemand aus der Diözesanleitung selbst. 36 Prozent davon bestritten sexuelle Motivationen oder die Taten ganz. Bezogen auf die 1.507 Kleriker des Untersuchungszeitraums ergebe dies einen Wert von 5,1 Prozent. Dieser liege leicht über den Befunden der bundesweiten MHG-Studie von 4,4 Prozent für alle Diözesen.

 

Die Augsburger Untersuchung ist laut Kommission eine vertiefte Auswertung des der MHG-Studie zugrundeliegenden Datenbestandes für das Bistum Augsburg. Die MHG-Studie ist ein 2018 veröffentlichtes Forschungsprojekt, das die Deutsche Bischofskonferenz in Auftrag gegeben hatte, um das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche in Deutschland von 1946 bis 2014 zu ermitteln.

 

In einem Anhang nennt die Augsburger Studie die im Bistum nach Redaktionsschluss der MHG-Studie, also ab Mai 2017, bekannt gewordenen Fälle sexualisierter Gewalt durch Kleriker. Neu gemeldet worden seien 58 Sachverhalte, nur zwei davon hätten nach 2000 stattgefunden; 37 Kleriker seien erstmals beschuldigt worden.

 

Weitere Recherchen

 

In diesem Zusammenhang erklärte Paul, bei einer relevanten Anzahl von Beschuldigten könne man aktuell nicht sagen, ob alle erforderlichen innerkirchlichen Schritte gegangen worden seien. Dies sei Gegenstand weiterer Recherchen. Er fügte an, für die Studie seien keine Betroffenen angehört worden. Beschuldigten habe man in drei Fällen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. In zweien davon habe die Kommission den Umgang der Diözesanleitung damit dann doch als angemessen bewertet.

 

Paul empfahl dem Bistum als Konsequenz aus der Studie eine Stärkung der Missbrauchsprävention. Geprüft werden solle ein Einladungsverbot für unbegleitete Minderjährige in Pfarrhäuser und Priesterwohnungen. Kleriker müssten für Missbrauch in Aus- und Fortbildung sensibilisiert werden. Auch sei es ratsam, neue Fälle im Einklang mit dem Datenschutz zu veröffentlichen und Betroffenen Angebote zu Begegnungen zu machen.

 

Der Kommissions-Vorsitzende betonte, die Studie sei "ohne Wissen und Wollen des Bischofs" verfasst worden. Das Bistum habe die Arbeit gleichwohl problemlos unterstützt, unter anderem mit Akten aus seinem Geheimarchiv. Paul verwies ferner darauf, dass man nur das Hellfeld erfasst habe. Das Dunkelfeld lasse sich nicht seriös beziffern.

 

Reaktion des Bischofs

 

Bischof Meier nahm die Studie entgegen und dankte der Kommission. Er sagte, das Leid Betroffener könne durch nichts behoben werden. Missbrauch sei ein Dauerthema. "Da dürfen wir uns nicht zur Ruhe setzen." Er wolle allen Betroffenen sagen, "wie tief ich die Schuld empfinde, in der die Kirche Ihnen gegenübersteht, und wie sehr ich Ihr Schicksal bedauere". Meier ergänzte, um sich konkret zur Studie äußern zu können, müsse er diese erst lesen.

Die Diözese Augsburg ist mit 13.665 Quadratkilometern Fläche und etwa 1,13 Millionen Katholiken das zweitgrößte der sieben katholischen Bistümer in Bayern.