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Furcht kennen die Frauen nur als Gottesfurcht

Carol Daria (links) und Jocelyn Aquiatan berichteten in Nürnberg im Rahmen des Monats der Weltmission von der Situation auf den Philippinen. Foto: Bernd Buchner
Carol Daria (links) und Jocelyn Aquiatan berichteten in Nürnberg im Rahmen des Monats der Weltmission von der Situation auf den Philippinen. Foto: Bernd Buchner

Nürnberg (buc) – Vor drei Jahren endete auf den Philippinen die Herrschaft von Rodrigo Duterte, bei dessen Antidrogenkrieg wohl Zehntausende Menschen ihr Leben verloren. Die unmittelbare Schreckenszeit ist vorbei, doch die Lage der Menschenrechte in dem Inselstaat im Westpazifik gibt weiterhin zu großer Besorgnis Anlass: Viele sind arm, leben am Existenzminimum. Willkür, Gewalt, Drogen und Kinderprostition sind noch immer an der Tagesordnung. Hinzu kommen regelmäßige Naturkatastrophen wie das jüngste Erdbeben, bei dem Ende September Dutzende Menschen starben.

 

Zwei Frauen, die entschieden für die Wahrung der Menschenrechte und für ein friedliches, respektvolles Miteinander in dem katholisch geprägten Land eintreten, sind zurzeit im Rahmen des Monats der Weltmission auf Einladung des internationalen katholischen Hilfswerks missio zu Gast in Deutschland: Carol Daria und Jocelyn Aquiatan. Bei einem Gottesdienst mit Stadtdekan Andreas Lurz in der Nürnberger Klarakirche berichteten sie über ihre Projekte und die Erfahrungen in dem krisengeschüttelten Staat.

 

Die Vielfalt eines Landes

 

Die beiden Aktivistinnen stehen für die geografische und soziale Vielfalt des Landes: Die studierte Psychologin Carol Daria arbeitet in der Hauptstadt Manila im Norden. In einem Stadtteil des urban geprägten Ballungszentrums hat sie mit dem Vinzentinerpater Daniel Pilario das Projekt „Solidarity for Orphans and Widows“ (Solidarität mit Waisen und Witwen) ins Leben gerufen. Sie widmet sich der Betreuung von Hinterbliebenen jener Drogenabhängigen und Kleinkriminellen, die von Dutertes Todesschwadronen wahllos und zu Tausenden erschossen wurden.

 

Jocelyn Aquiatan ist im Süden der Philippinen zu Hause, auf Mindanao, der zweitgrößten von rund 7000 Inseln, die den Staat bilden. In der ländlich geprägten Gegend sind auch viele Muslime sowie indigene Menschen ansässig. Aquiatan arbeitet für das „Netzwerk interkultureller Organisationen für Solidarität und Frieden“ (ICON-SP), das sich für Aufklärung und Dialog zwischen den Bevölkerungsgruppen einsetzt. Ein besonderes Anliegen ist der Schutz der Rechte indigener Gemeinschaften, die noch immer Unrecht erleiden, zum Teil vertrieben werden. Mit ihren Kolleginnen hat die Kommunikationswissenschaftlerin zum Beispiel ein Projekt angestoßen, bei dem Menschen zu Friedensvermittlern ausgebildet werden.

 

Beide Frauen trotzen auf ihre je eigene Weise der Staatsmacht, haben die Bedrohungen gerade in der Dutertezeit mit großer Beharrlichkeit durchgestanden. Jocelyn Aquiatans Aktivitäten auf Facebook etwa wurden jahrelang überwacht, auch die ihrer gesamten Familie. Doch Furcht kennen die Frauen allenfalls als Gottesfurcht – der Glaube ist es, der ihnen die Kraft gibt, ihre Arbeit zu tun, und der auch die Menschen, die ihnen am Herzen liegen und mit denen sie arbeiten, widerstandsfähig macht. 

 

So unterschiedlich die Problemlagen in den verschiedenen Landesteilen der Philippinen sind, so verbreitet sind überall Armut und Hunger, selbst im vergleichsweise reichen Manila. Und die Staatsmacht tut mit Bürokratie und Gängelung weiterhin wenig dafür, Vertrauen in der Bevölkerung aufzubauen. Gleichwohl: „Die Tötungen haben aufgehört“, berichtet Carol Daria über das Ende des Antidrogenkriegs. Doch viele Familien würden noch immer als „Drogenfamilien“ stigmatisiert, bis zur Wiederherstellung ihrer Würde und neuer Hoffnung ist es ein weiter Weg. Die Drogenpolitik unter Präsident Ferdinand Marcos Jr. setzt vermehrt auf Rehabilitation und Prävention. „Es gibt noch immer viel zu tun, die Wunden zu heilen“, schildert die katholische Menschenrechtlerin. 

 

Im Süden, wo in Jocelyn Aquiatans Friedensprojekt inzwischen mehr als 100 Menschen ausgebildet wurden, ist die Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen keinesfalls einfacher. Auch hier werden sie nach wie vor diffamiert, als linksextremistisch hingestellt und bespitzelt. Doch die Aktivisten sind auf geordnete Beziehungen zu den lokalen Behörden angewiesen, müssen die Konfrontation mit der öffentlichen Willkür nach Möglichkeit vermeiden. Die Lage der Indigenen macht Jocelyn Aquiatan besondere Sorge – während ihres Aufenthalts in Deutschland erreichte sie die Nachricht, dass ein wichtiger Repräsentant der Indigenen auf Mindanao ermordet wurde.

 

Über die Rolle der katholischen Kirche, zu der vier Fünftel der Bevölkerung auf den Philippinen gehören, äußern sich die Frauen zurückhaltend. In den vergangenen Jahren wurden wiederholt auch Priester ermordet, doch seitens der Kirchenleitungen herrschte den Schilderungen zufolge überwiegend Stille gegenüber den Verbrechen. Viele Kirchenobere seien „auf der sicheren Seite“ geblieben, heißt es. Das betrifft auch den berühmtesten Katholiken der Philippinen, Kardinal Luis Antonio Tagle, der beim Konklave im Mai als möglicher Papst gehandelt wurde.