Karlsruhe (KNA) - Das Bundesverfassungsgericht hat die Kirchen im Streit um ihr Arbeitsrecht gestärkt. Die Kirchen hätten ein Anrecht darauf, Bewerber wegen ihrer Konfessionslosigkeit abzulehnen, teilte das Gericht in einer am Donnerstag in Karlsruhe veröffentlichten Entscheidung mit. Die Richter gaben damit der Verfassungsbeschwerde der evangelischen Diakonie im Rechtsstreit mit der konfessionslosen Sozialpädagogin Vera Egenberger statt.
Zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht die Diakonie zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt, weil sie Egenberger für eine ausgeschriebene Stelle nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen hatte. Die aus der Kirche ausgetretene Bewerberin sah darin eine Diskriminierung aus religiösen Gründen. Das Verfassungsgericht entschied nun, das Urteil des Bundesarbeitsgerichts verletze die Diakonie in ihrem im Grundgesetz verankerten religiösen Selbstbestimmungsrecht.
Zustimmung der Kirchen
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie begrüßten die Entscheidung: "Das höchste deutsche Gericht hat für Klarheit gesorgt. Kirche und Diakonie dürfen in ihrer Einstellungspraxis in begründeten Fällen eine Kirchenmitgliedschaft ihrer Mitarbeitenden voraussetzen. Dies steht nicht im Widerspruch zum europäischen Antidiskriminierungsrecht", sagte Diakonie-Vorstand Jörg Kruttschnitt.
Auch die katholischen Bischöfe sehen in dem Urteil eine Stärkung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Um die religiöse Dimension ihres Wirkens sicherzustellen, könnten die Kirchen auch die Arbeitsverträge und die Auswahl ihrer Mitarbeiter entsprechend gestalten, erklärte die Deutsche Bischofskonferenz in Bonn. Für die katholische Kirche ergibt sich aus dem Urteil laut Bischofskonferenz kein aktueller Handlungsbedarf. Die Entscheidung bestätige die vorhandenen und bereits reformierten Regelwerke.
Der Religionsbeauftragte der Linksfraktion im Bundestag, Bodo Ramelow, bezeichnete das Urteil als "eine hilfreiche Klarstellung", die im Kern alle Tendenzbetriebe betreffe. "Ich möchte auch, dass jemand, der für meine Partei oder Fraktion arbeitet, bei uns Mitglied ist. Das gilt in Leitungsfunktionen umso mehr", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Streit um Besetzung von Referentenstelle
Die aus der Kirche ausgetretene Egenberger hatte sich 2012 um eine Referentenstelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben - ohne Erfolg. Bei dem befristeten Job ging es um Mitarbeit an einem Bericht von Nichtregierungsorganisationen zur deutschen Umsetzung der UN-Antirassismus-Konvention.
Egenbergers Fall beschäftigt seit mehr als einem Jahrzehnt Arbeitsgerichte und oberste Gerichte. Zuletzt entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2018, dass sich Kirchen bei Stellenbesetzungen nicht pauschal auf ihr Selbstbestimmungsrecht berufen könnten - und nahm Bezug auf die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt sprach Egenberger daraufhin eine Entschädigung zu.
"Bedeutung der beruflichen Position entscheidend"
Das Verfassungsgericht konkretisierte seine Vorgaben für Stellenanforderungen kirchlicher Arbeitgeber am Donnerstag mit den Worten: "Je größer die Bedeutung der betroffenen Position für die religiöse Identität der Religionsgemeinschaft nach innen oder außen, desto mehr Gewicht besitzt der von der Kirche in Wahrnehmung ihres Selbstbestimmungsrechts vorgetragene Belang und ein daraus abgeleitetes Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft."
In diesem Sinne hatten die katholische wie auch die evangelische Kirche bereits vor mehreren Jahren ihre Einstellungsvoraussetzungen für Beschäftigte geändert. Die katholische Kirche in Deutschland reformierte Ende 2022 ihre "Grundordnung des kirchlichen Dienstes". Die Religionszugehörigkeit ist demnach nur dann ein Kriterium bei der Einstellung, wenn sie für die jeweilige Position erforderlich ist. Das gilt für die Arbeit in Seelsorge und Glaubensvermittlung und zum anderen für Tätigkeiten, die das katholische Profil der Einrichtung inhaltlich prägen und nach außen repräsentieren.
