Florenz (KNA) – Bis 25. Januar sind in der italienischen Kunstmetropole Florenz rund 200 Werke des Renaissance-Künstlers Fra Angelico (1395-1455) zu sehen. Sie werden dargeboten in einer Doppelausstellung unter dem Titel "Beato Angelico", die zwei sehr unterschiedliche Orte im Zentrum der Toskana-Metropole umfasst.
Der sensationelle internationale Teil der Ausstellung findet im Palazzo Strozzi statt, einem Juwel der toskanischen Renaissance-Architektur, das sich seit rund 20 Jahren einen Namen als exquisite Ausstellungs-Location gemacht hat. Zu sehen sind hier 140 Werke von Fra Angelico und einigen Zeitgenossen. Die meisten davon sind Altarbilder und Predelle, von denen einige aus den berühmtesten Kunstmuseen und Sammlungen der Welt stammen.
Der leisere, spirituellere Teil findet sich im Kloster San Marco, 15 Gehminuten entfernt. Dort, wo der malende Dominikaner-Mönch um 1440 lebte und wirkte, finden sich mehr als 50 von ihm und teilweise von seinen Schülern gemalte Fresken. Sie erzählen von der Empfängnis bis zur Auferstehung Jesu die Geschichten aus den Evangelien in einer dichten Bildersprache nach und deuten sie theologisch aus.
Aus rein praktischen, aber auch aus inhaltlichen Gründen empfiehlt es sich, zuerst die Fresken in San Marco anzuschauen. Denn das zum Museum umgewandelte Kloster behält seine Öffnungszeiten trotz der weltweit angepriesenen Doppelausstellung bei: Die Pforten schließen kurz vor 14.00 Uhr, letzter Einlass ist um 13.00 Uhr. Wer entsprechend plant, hat dennoch mehr als vier Stunden Zeit, die Fresken des Dominikaners in all ihrer eindringlichen Schlichtheit und farblichen Zurückgenommenheit auf sich wirken zu lassen.
Reduzierung auf das Wesentliche
Die im Gang des Obergeschosses des Klosters zu sehende Verkündigungsszene ist zu Recht das berühmteste Werk des 1982 seliggesprochenen Malermönchs. Auch wer schon Dutzende Gemälde betrachtet hat, die den unbegreiflichen Moment darstellen, in dem Maria von ihrer bevorstehenden Mutterschaft erfährt, wird von dieser Interpretation angerührt. Keine Lilien, kaum schmückendes Beiwerk. Alles ist auf das Wesentliche reduziert. Es zeigt sich umso sprechender im Gesicht und im Gestus der jungen Frau - und im un-engelhaften Erröten des beflügelten Überbringers der unglaublichen Botschaft.
Sprechend, für heutiges Empfinden vielleicht mitunter zu sehr theologisch-didaktisch aufgeladen, sind die vielen Kreuzigungsdarstellungen in den Mönchszellen, die Fra Angelico als Mönch und zeitweiliger Prior des Klosters seinen Mitbrüdern zur persönlichen Betrachtung gemalt hat oder malen ließ. Immer wieder hat er den Ordensgründer Dominikus mit hineinmontiert, mindestens einmal auch den großen Dominikaner-Denker Thomas von Aquin (erkennbar an der Leibesfülle).
Aber auch hier im Kloster sind es immer wieder die Marien, die den Betrachter mit ihren Blicken in ihren Bann ziehen. Faszinierend etwa die tief ins leere Grab Jesu hinabspähende Maria von Magdala, die in ihrer Verzweiflung nicht sieht, dass über ihr schon der Auferstandene schwebt.
Optische Effekte und große Namen
Mit dem in der klösterlichen Freskenbetrachtung geschulten Blick fällt es leichter, sich im zweiten Teil im Palazzo Strozzi nicht von den dort aufgefahrenen optischen Effekten überwältigen zu lassen. Zuvor aber empfiehlt sich, ein Besuchs-Zeitfenster digital zu reservieren, denn der Andrang ist groß - vor allem an Wochenenden.
Die Kuratoren haben keine Kosten und Mühen gescheut, die kostbaren Gemälde Fra Angelicos in Szene zu setzen. Vor einem fast himmelblauen Hintergrund leuchten die güldenen Heiligenscheine und Kronen in einer Intensität, die kaum zu überbieten ist. Die unter den hohen Deckengewölben aufgehängten Strahler sind treffgenau eingestellt: Nichts, was spiegelt, kaum unerwünschte Reflexionen.
Hinzu kommt der Klang der großen Namen, die bei vielen Objekten als Leihgeber genannt werden. Von den Vatikanischen Museen über den Louvre, das Metropolitan Museum of Art in New York und das Rijksmuseum in Amsterdam ist alles vertreten. Aus Deutschland haben unter anderem die Gemäldegalerie in Berlin und die Alte Pinakothek in München weltbekannte Werke beigesteuert.
Bei all dem Name-Dropping, bei dem strahlenden Gold und den bestens ausgeleuchteten farbigen Gewändern der Heiligen tut es gut, auch in diesem Umfeld auf das Wesentliche zu schauen. Und das kommt wie bei den Fresken im Kloster in der theologisch durchdachten Komposition der Figuren, in den individuell gestalteten Gesichtern, den Händen und den Haltungen der Dargestellten zum Ausdruck.
Eindringliches Bild eines Gefolterten
Das gilt für die vielen Anbetungen der thronenden Muttergottes mit dem Jesuskind ebenso wie für die Darstellungen rings um die Passion und die Grablegung Christi. Einen starken, fast verstörenden Eindruck hinterlässt das Gesicht des gefolterten Jesus mit blutunterlaufenen Augen, bekannt als "Christus mit der Dornenkrone". Es fand viele Nachahmer, von denen aber keiner an das Original heranreicht; einige von ihnen sind in der Ausstellung zu sehen.
Zum Vergleichen lädt auch die Verkündigungsszene von Filippo Lippi ein, der dieses Thema etwa ein Jahrzehnt nach Fra Angelicos berühmtem Kloster-Fresko malte. Alles ist anders: der theatralisch kniende Engel, die sich mit abwehrend gespreizten Händen zierende Maria, das aufwendig inszenierte Drumherum. Das ist wunderschön anzusehen und bewegend, aber auch hier bleibt Fra Angelico in seiner Konzentration auf das Innere seiner Figuren und die theologische Kernaussage der unerreichte Maßstab.