· 

Experte: Kinder brauchen nicht perfekte Eltern - sondern verlässliche

Hamburg (KNA) – Kinder brauchen keine perfekten Eltern, sondern verlässliche. Darauf weist der Kinderarzt und Bestsellerautor Herbert Renz-Polster im Gespräch mit dem "Spiegel" hin: "Kinder rechnen nicht mit perfekten Eltern. Sie brauchen Eltern, an die sie rankommen, wenn sie in Not sind. Und die ihnen ansonsten freundlich und verständig begegnen." Mütter und Väter sollten vor allem darauf achten, dass ihre Kinder sich sicher und wertvoll fühlen.

 

Eltern sollten außerdem ihre Beziehungskrisen selbst klären, ohne ihre Kinder hineinzuziehen, so der Fachmann. Darüber hinaus sollten sie bei der Auswahl von Betreuungseinrichtungen weniger auf Bildungsangebote achten, sondern stärker auf die Atmosphäre: "Versuchen Sie, eine Kita mit freundlichen Erzieherinnen zu finden."

 

Süßes von Oma und Opa ist okay

 

Renz-Polster warnte vor übertriebenen Ängsten moderner Eltern um das Wohl ihrer Kinder. Wichtiger seien ein Grundvertrauen in die Kinder und das Pflegen stabiler Beziehungen: "Es kommt auf die Wärme in den Beziehungen an - auch wenn Oma und Opa mal mehr Zucker erlauben."

 

Mit Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen betonte er weiter: "Wie anfällig Kinder später für autoritäre Strömungen sind, hat viel damit zu tun, ob Kinder mit Vertrauen in sich und die Welt aufwachsen oder nicht." Dabei seien auch Menschen mit gleichen Lebensbedingungen unterschiedlich anfällig: "Ich nenne es die Ralf-Rüdiger-Frage. Ralf und Rüdiger verdienen gleich viel, haben denselben Job, dieselben Lebensumstände - und trotzdem wählt Ralf die AfD und Rüdiger nicht. Warum?

 

Die Antwort von Renz-Polster: "Der eine besitzt Resilienz, ein Grundvertrauen in die Welt, in andere Menschen und in die eigene Selbstwirksamkeit. Der andere hat Angst." Auf die Frage, warum autoritäre Argumente offenbar in Ostdeutschland besser verfingen als in Westdeutschland, verwies der Kinderarzt auf Umfragen der Autoritarismusforscherin Gerda Lederer direkt nach dem Mauerfall: "Die Jugendlichen, die in der angeblich antifaschistischen DDR groß wurden, waren wesentlich autoritärer eingestellt als die aus dem Westen."

 

Zu oft nur Verwahranstalten

 

In der DDR seien schon Säuglinge und Kleinkinder institutionell betreut worden, und das unter Bedingungen, die heute als kindeswohlgefährdend gelten würden: "Es fehlte in den Krippen an Kinderkompetenz, an Wärme. Es waren oft Verwahranstalten."

 

Er habe kein grundsätzliches Problem damit, Kinder früh in die Kita zu geben, ergänzte Renz-Polster - aber nur wenn die Einrichtungen kindgerecht gestaltet seien: "Das sind sie aber zu selten." Viel zu oft gehe es mehr darum, Müttern die Berufstätigkeit zu ermöglichen als um die Frage, was Kinder brauchen: "Kleinkinder brauchen Beziehungen, in denen sie vertrauen können und nicht im Dauerstress sind."