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Beginn eines neuen religiösen Mythos?

Washington (KNA) – Nur wenige Tage nach der weltweit beachteten Ermordung von Charlie Kirk zogen die Sozialen Netzwerke des ultrakonservativ-christlichen Influencers Millionen neue Follower an. Alleine auf dem TikTok-Account seines Podcasts kamen 1,5 Millionen Follower dazu, und seine wichtigste Facebook-Seite zählt inzwischen weit mehr als 2,3 Millionen Follower. Die Clips mit Aussagen zu gesellschaftlichen Themen erreichen zusammengefasst mehrere hundert Millionen. 

 

Die Follower-Zahlen seiner Frau Erika haben sich seit dem Mord mehr als verdoppelt. Ihre erste öffentliche Ansprache wurde auf dem Account ihres Mannes sieben Millionen Mal abgerufen, dürfte aber aufgrund der vielen Reproduktion auf unzähligen Konten weit mehr als 100 Millionen Abrufe haben. 

 

„Ich werde ‚Turning Point‘ zur größten Sache machen, die dieses Land je gesehen hat“, sagte Erika Kirk bei einer Ansprache unter Tränen. Die Rede wurde in jenem Studio in Phoenix (Arizona) aufgenommen, wo ihr Mann seinen Podcast moderierte. Direkt an den mutmaßlichen Täter gerichtet, den sie namentlich nicht erwähnte, sagt sie: „Du hast keine Ahnung, was du im ganzen Land und in dieser Welt ausgelöst hast!“ 

 

„Turning Point USA“ ist eine von Kirk gegründete konservative christliche Jugendbewegung, die Präsident Donald Trump bei seinen Präsidentschaftswahlkämpfen unterstützte. Die Organisation fand in den vergangenen Jahren an Universitäten und High Schools immer mehr Zulauf. Charlie Kirk reiste zu den Universitäten, um dort mit der studentischen Linken seine bisweilen umstrittenen Standpunkte äußerst kontrovers zu diskutieren. Er zählte zu den wichtigsten Stimmensammlern für Trump. 

 

Viele sehen an dem riesigen Interesse nun den Beginn eines neuen religiösen Mythos – dessen weiterer Verlauf schwer vorherzusagen ist. Einige nennen ihn den ersten Bürgerrechtler seit Martin Luther King; andere werfen ihm vor, seine gezielten Provokationen mit umstrittenen Themen zu einem lukrativen Geschäftsmodell gemacht zu haben. Die Bluttat war auch Thema beim Gespräch des Papstes mit dem neuen US-Botschafter beim Heiligen Stuhl, Brian Burch. Der Vatikan erklärte im Anschluss, Papst Leo XIV. habe betont, dass politische Meinungsverschiedenheiten nie mit Gewalt gelöst werden könnten. Er bete „für die Witwe und die Kinder von Herrn Kirk“. Tatsächlich werden sich die katholische und andere christliche Kirchen etwas einfallen lassen müssen, um die jungen Leute in den USA bei der Stange zu halten. In welcher Form sich die Jugendorganisation „Turning Point“ künftig aufstellen wird, bleibt abzuwarten. Aber Kirks Tod fällt in eine Zeit, in der Künstliche Intelligenz ihren Siegeszug antritt und selbst Tote digital wieder auferstehen lässt. Sein weißes T-Shirt mit der Aufschrift „Freedom“ (Freiheit) ist ein Verkaufsschlager. 

 

Die Debatten in den Sozialen Netzwerken haben schon erste Konsequenzen. „Arbeitnehmer werden wegen Beiträgen zu Charlie Kirk entlassen oder beurlaubt“, berichtet die „Washington Post“. Kirk-Anhänger machen digital Jagd auf User, die sich über den Tod des Influencers lustig gemacht hätten, und sie versuchen, deren Identität zu entschlüsseln.

Präsident Trump ließ derweil keinen Zweifel daran, wer nach seiner Ansicht für den Mord politisch verantwortlich ist: „Die Radikalen auf der linken Seite sind das Problem. Sie sind bösartig, sie sind schrecklich.“ Der verhaftete Tatverdächtige, Tyler R. (22), soll laut Medienberichten aus einem republikanischen Elternhaus stammen. Er soll aktives Mitglied einer lokalen Mormonen-Kirche gewesen sein. „Ich kann bestätigen, dass Robinson in jungen Jahren Mitglied der Kirche wurde – aber alle weiteren Fragen zu seiner kirchlichen Tätigkeit bitte ich Sie, an ihn oder seine Familie zu richten“, sagte ein Kirchensprecher.