Rom/Turin (KNA) – Hat das Turiner Grabtuch nicht den toten Körper Jesu, sondern lediglich eine Skulptur bedeckt? Die neueste These eines brasilianischen 3D-Designers zum wohl berühmtesten Stück Stoff der Welt verstimmt den örtlichen Erzbischof. Kardinal Roberto Repole warnte am Montagabend vor der Oberflächlichkeit bestimmter Schlussfolgerungen, die einer genaueren Prüfung oft nicht standhielten. Wundern könne man sich über den Aufruhr, den solche "Nachrichten" in der heutigen Medienwelt verursachten, indes nicht mehr allzu sehr, hieß es in der Mitteilung auf der Internetseite des Erzbistums.
Anlass der Stellungnahme ist eine kürzlich veröffentlichte Studie des Designers und Forschers Cicero Moraes, der unter anderem auf digitale 3D-Gesichtsrekonstruktion spezialisiert ist. Er behauptet, dass die sichtbaren Kontaktpunkte des Turiner Grabtuchs mit einem Körper besser zu einem Flachrelief passten als zu einem Menschen.
Analyse der "Entdeckung" angekündigt
"Der Hüter des Turiner Grabtuchs sieht keinen Grund, sich zu frei formulierten Hypothesen mehr oder weniger renommierter Wissenschaftler zu äußern", heißt es in der Stellungnahme des Kardinals. Zugleich kündigte er eine Veröffentlichung des von ihm anerkannten "Internationalen Zentrums für Studien zum Turiner Grabtuch" an. Darin würden die "Methode und die Ergebnisse dieser 'Entdeckung' detailliert analysiert".
Das 4,40 Meter lange und 1,13 Meter breite Grabtuch von Turin gehört zu den meistuntersuchten archäologischen Objekten der Welt. Es zeigt Ganzkörper-Spuren eines gegeißelten und gekreuzigten Mannes. Ob es sich tatsächlich um Jesus handelt, ist umstritten. Zuletzt hatten italienische Forscher mit einer speziellen Röntgentechnik den Alterungsprozess der Fäden analysiert und festgestellt, dass es um die Zeit Christi vor etwa 2.000 Jahren hergestellt worden sei.
Die katholische Kirche hat sich nicht offiziell zur Echtheit geäußert. Es ist daher keine Reliquie im strengen Sinne. Kirchenvertreter verweisen darauf, dass die Frage der Datierung für den Glauben nicht entscheidend sei. Das Tuch wird seit 1578 im Turiner Dom aufbewahrt und nur selten öffentlich gezeigt.