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Öfter mal ein klares Nein - "Jesus war kein lächelnder Ja-Sager"

Berlin (KNA) – Sie trägt ein Tattoo auf dem Oberarm: Ein Teddy-Bär hält ein großes Herz, das das Wort "no" einrahmt. "Das soll mich ans Nein-Sagen erinnern. Denn auch mir liegt oft ein Ja auf der Zunge, obwohl ich etwas gar nicht will", sagt Maike Schöfer, evangelische Pfarrerin in Berlin-Adlershof. Um anderen bei dieser Herausforderung den Rücken zu stärken, veröffentlicht sie am Freitag ein Buch mit dem Titel "Nö". Auf dem Cover sitzt ein Engel, den die gleiche Tätowierung ziert.

 

"In unserer Gesellschaft fällt Menschen das Neinsagen schwer und gleichzeitig wird es einigen strukturell erschwert", sagt die 35-jährige. Für Frauen gelte das in der hiesigen Kultur des Ja-Sagens besonders: Bereits im Kinderzimmer zeige die Barbie-Puppe, dass Mädchen brav und wohlgefällig zu sein hätten. "Unsere Gesellschaft ist von patriarchalen Strukturen geprägt, und Frauen sind erst dann gute Frauen, wenn sie bestimmten Vorstellungen von Schönheit entsprechen", sagt Schöfer, die für ihre abgeschnittenen Haare einst herbe Kritik erntete.

 

Zudem gelte es als erstrebenswert, zu heiraten und Kinder zu bekommen. Auch wer sich bewusst für ein Leben als Single oder Karrierefrau entscheide, müsse sich unterschwellig an diesem Ideal messen lassen, meint die Autorin.

 

Als hysterisch abgestempelt

 

Sie halten den Haushalt in Ordnung, kümmern sich um Angehörige und sind immer da, wenn Not - im wahrsten Sinne des Wortes - am Mann ist. "Frauen, die dazu wütend Nein sagen, passen nicht in dieses von Männern geschaffene Weltbild", erklärt Schöfer. Sie würden überhört, belächelt oder als hysterisch abgestempelt.

 

Um trotzdem ihren eigenen Weg gehen zu können, hat sich die Theologin nach eigenen Worten schon als Jugendliche mit entsprechenden Vorbildern umgeben: Sie hat Filme mit der frechen Pippi Langstrumpf geschaut und die Hits der Spice Girls mitgesungen - die britische Popgruppe stand in den 1990ern für "Girl Power", war laut, ungehalten und unkonventionell. "Es ging ihnen nicht darum, was Mädchen und Frauen nicht können und dürfen, sondern darum, was sie alles sein und werden können", schreibt Schöfer, getrennt lebende Mutter eines Sohnes.

 

In bester Gesellschaft

 

Auch in Kirchenkreisen gelte es, nicht alles mit einem "Ja und Amen" abzunicken. Als junge, queere Frau mit Tattoos und Piercing, kurzen Haaren und Turnschuhen sorge sie als Amtsträgerin und Vorgesetzte desöfteren für Befremden, berichtet sie. Und fühle sich dabei in bester Gesellschaft, denn auch Jesus Christus sei alles andere als ein lächelnder Ja-Sager gewesen. Er habe sich den Ausgeschlossenen zugewandt - armen Menschen, Sexarbeiterinnen, Menschen mit Behinderung. "Das war zur damaligen Zeit ein mehr als gewagter Move und ein dickes Nein an die ungerechte Gesellschaft", schreibt Schöfer.

 

Sie plädiert außerdem dafür, Eva, die Adam beim biblischen Sündenfall den Apfel reichte, nicht zum Sinnbild des Bösen zu machen. Vielmehr sei Eva die allererste Feministin gewesen, die eigene Entscheidungen getroffen und Verantwortung für ihr Handeln übernommen habe: "Das Paradies ist ihr zu klein, sie will in die Welt", meint die Autorin.

 

Besser spät als nie

 

Dabei ist Schöfer bewusst, dass nicht jede und jeder aus bestehenden Strukturen ausbrechen kann. Wer Kinder habe, stecke fast immer in Abhängigkeiten und Verpflichtungen. Überdies sei es im Sinne des Miteinanders, für andere da zu sein und eigene Bedürfnisse auch einmal zur Seite zu schieben. "Wenn Frauen aber immer nur o.k. sagen, sind sie irgendwann k.o.", warnt die Autorin.

 

Auch ihr passiere es, dass sie vorschnell eine unangenehme Aufgabe übernehme. "Wenn sich dann hinterher ein Nein in meinem Bauch oder Kopf bemerkbar macht, sage ich es. Auch ein verspätetes Nein ist ein Nein", betont Schöfer.

Gesellschaftlich verordnete Schönheitsideale ablehnen, die eigenen Grenzen wahrnehmen und sich Ungerechtigkeiten widersetzen - diesbezüglich müssten Frauen dazulernen. Hilfreich sei es deshalb, so die Theologin, sich mit anderen auszutauschen und als wechselseitiges Vorbild zu dienen. Die bewussten "Neins" im Alltag seien zwar kein Garant für eine gerechtere Welt, könnten aber gängige Sichtweisen in Frage stellen und die Chance auf ein Umdenken bieten.