
Nürnberg (cga) – Es ist ein augenfälliger Gegensatz zur dortigen grauen und eher tristen Umgebung. Der begrünte und blühende Garten der Scharrerschule im Nürnberger Stadtteil Gleishammer. „In diesem Stadtteil hat kaum jemand einen Garten daheim“, erzählt Theresia Aschemann. Sie ist Religionslehrerin an dieser Brennpunkt-Schule und hat darüber hinaus noch einen eher ungewöhnlichen Arbeitsauftrag: Schulpastoral, also sich explizit um die Sorgen und Nöte der Kinder und Jugendlichen, aber auch des Lehrerkollegiums anzunehmen.
Eine herausfordernde Aufgabe für Aschemann. „Wir sind hier Multi-Kulti“, sagt die Religionslehrerin und sind damit auch interreligiös. Kinder und Jugendliche aus zahlreichen Nationen besuchen die Scharrerschule. Für Aschemann ist ihr Christentum nicht vordergründig Frömmigkeit, sondern eher eine Haltung. „Ich bewege mich als Christ, zeige welche Werte ich lebe, was hinter meiner Religion steht.“ Für Aschemann sind das die Nächstenliebe, Respekt und die Würde des Menschen.
Ganz wichtig sei das – gerade an der Schule an der die fränkische NS-Größe Julius Streicher Junglehrer war und wo in unmittelbarer Nähe einer der NSU-Morde stattfand. Es gib auch einen Gedenkbaum, der von der Schule gepflegt wird. Gerade wegen dieser Themen Nationalsozialismus und NSU-Morde ist es Aschemann ein großes Anliegen, dass das Thema Menschenrechte immer wieder bearbeitet wird. Inzwischen ist die Scharrerschule eine „Schule für Menschenrechte.“
Dieses Engagement ist auch von offizieller Seite erst kürzlich gewürdigt worden. Die Scharrerschule wurde im März 2025 mit dem Etz-Chaim Schulpokal von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Franken (GCJZ) ausgezeichnet. Dieser Pokal, so die GCJZ, sei auch eine Verpflichtung die christlich-jüdische Verständigung sowie das Miteinander der Religionen fördern.
Die Interreligiösität wird auch bei den Gottesdiensten erlebbar. Es gibt an der Scharrer-Mittelschule keine getrennten Gottesdienste zum Schuljahresanfang oder zum Schuljahresende nach Konfessionen oder Religionen. „Wir beten miteinander“, sagt Aschemann. Und diese Gottesdienste finden selbstverständlich in der benachbarten Kirche St. Kunigund statt. Diese ist nicht nur in wenigen Minuten erreichbar, sondern bietet auch Platz für die 400 Schülerinnen und Schüler.
Eine Vollzeitstelle für einen kirchlichen Religionslehrer ist aktuell mit 25 Unterrichtsstunden definiert. Dazu kommen natürlich noch Zeiten für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts. Theresia Aschemann bekommt für ihre Arbeit in der Schulpastoral acht Unterrichtsstunden angerechnet. Ihr ist es wichtig für die Schülerinnen und Schüler Zeit zu haben.
Ein ergänzendes Angebot
Schulpastoral versteht Christian Vogel als ein ergänzendes seelsorgliches Angebot mit dem Blick eines christlichen Menschenbildes. Vogel ist ebenfalls Religionslehrer, allerdings am Johannes-Scharrer-Gymnasium unterhalb der Nürnberger Burg. Bei seiner Arbeit dort wird er unterstützt von Barbara Chrastek-Neu und Stefanie Mark, zwei städtischen Lehrkräften, die für die Schulpastoral eine Ausbildung absolviert und dann auch eine Beauftragung durch das Erzbistum Bamberg bekommen haben.
Es gehe für ihn, so Vogel, das christliche Menschenbild in die Schulwelt hineinzutragen. Und seine Kollegin Barbara Chrastek-Neu ergänzt: „Wie können wir uns als Kirche in der Welt zeigen und einbringen?“ Am Scharrer-Gymnasium geschieht dies unter anderem durch viele Aktionen der Fachschaft Religion, beispielsweise Fair-Tagen, Gottesdiensten, Tagen der Orientierung für alle neunten Klasse und natürlich die Möglichkeit zum Gespräch. Immer wieder kommen auch Jugendliche, um ihre Sorgen, Nöte und Ängste auszusprechen.
Die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch sei natürlich jederzeit gegeben, betont Theresia Aschemann. Allerdings würden die meisten Gespräche eher so beiläufig beginnen und seien nicht geplant.
Ein besonderes Angebot der Schulpastoral an der Scharrerschule ist der Raum der Stille. Immer um die Mittagszeit besteht für elf Schülerinnen und Schüler an diesem Angebot – in Absprache mit den Kollegen – teilzunehmen. Es liegen Matten darin aus, der Raum ist „kuschelig“ eingerichtet, erzählt Aschemann. Nicht nur, weil ein Teil des regulären Unterrichts für die Kinder und Jugendlichen ausfällt, wird dieses Angebot sehr geschätzt. Eine jüngst durchgeführte Umfrage brachte das Ergebnis, dass sich hier die Kinder und Jugendlichen besonders sicher fühlen. Und sie kommen da zur Ruhe. „Das tut ihnen wahnsinnig gut.“
Aschemann sieht ihre Arbeit als einen Teil der Schulentwicklung. Man dürfte auch mal den Mut haben, Dinge anders zu probieren. Und immer wieder wird ihr Grundtenor deutlich: „Haltung zeigen.“ Denn es gehe darum ein Beispiel zu sein für die Schülerinnen und Schüler. Und sie auch nicht aufzugeben. Immer wieder habe sie schon erlebt, dass auf einmal der Knoten geplatzt sei.
Die grüne Oase im Schulhof der Scharrerschule ist auch ein Teil ihrer Arbeit. Denn mit der Garten AG hat Aschemann dazu beigetragen ein wenig Lebensraum in einer grauen Umgebung zu schaffen. Allerdings nicht allein, sondern mit Schülerinnen und Schülern der Scharrerschule. Und offenbar mit Erfolg: Denn ein Platz zum Toben ist dieser kleine Garten nicht, sondern eher zum Entspannen. Ein Ort, an dem es wachsen und gedeihen kann.