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Katholische Kirche in Sorge wegen möglicher Verfassungsrichterin

Berlin (KNA) - Der Leiter des Katholischen Büros, Prälat Karl Jüsten, hat seine Sorge über die mögliche Wahl der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht bekräftigt. "Wenn ein nach Entwicklungsstufe und Lebensfähigkeit des Menschen abgestuftes Lebensschutzkonzept vertreten und die Menschenwürde des ungeborenen Lebens infrage gestellt wird, bedeutet dies einen verfassungsrechtlichen Paradigmenwechsel", sagte Jüsten auf Anfrage am Donnerstag in Berlin. Ein solcher Umbruch beschränke sich nicht auf den Schwangerschaftsabbruch, sondern könne Auswirkungen auf die Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens in verschiedenen Lebenssituationen haben.

 

Am Freitag steht die Wahl von drei Richtern für das Bundesverfassungsgericht durch den Bundestag an. Auch in Teilen der Union ist die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin Brosius-Gersdorf umstritten. Sie vertritt eine sehr liberale Position in der Abtreibungsfrage. Aus Sicht der Juristin gibt es gute Gründe dafür, dass die volle Garantie der Menschenwürde erst ab der Geburt gilt. Die Wahl ist geheim. Damit die Richter gewählt werden, ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Dass die notwendige Mehrheit zustande kommt, gilt als nicht sicher.

 

Paradigmenwechsel

 

Brosius-Gersdorf war auch stellvertretende Koordinatorin in einer von der vorherigen Bundesregierung eingerichteten Kommission, die eine mögliche Liberalisierung der Abtreibungsregelung prüfen sollte und entsprechende Empfehlungen vorlegte. Über einen interfraktionellen Gesetzentwurf für eine liberalere Handhabung wurde in der vergangenen Wahlperiode nicht mehr abgestimmt.

 

Jüsten betonte, die katholische Kirche habe wiederholt darauf hingewiesen, dass sowohl den von der Kommission vorgelegten Empfehlungen als auch dem vorgelegten Gesetzentwurf bereits ein verfassungsrechtlicher Paradigmenwechsel zugrunde gelegen habe. Eine solche Position berge zudem die Gefahr einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft, die die Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD verhindern solle. Zugleich betonte er, es sei natürlich klar, dass jeder Abgeordnete frei sei, die Wahl für die Besetzung des höchsten Gerichts zu treffen.

 

"Leben von Anfang an"

 

Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) äußerte sich zu der Personalie. ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp erklärte: "Dass eine Kandidatin für das Amt der Bundesverfassungsrichterin öffentlich erklärt, es gebe 'gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt', beunruhigt mich sehr." Und weiter: "Ich würde sie aufgrund dieser Position nicht wählen können."

 

Der Bundestag müsse nun entscheiden, so Stetter-Karp. Sie werde der Entscheidung "große Aufmerksamkeit widmen, gibt sie doch ein Zeichen für die Zukunft in unserem Land". Sie sei dankbar, dass der Schutz des menschlichen Lebens im Grundgesetz verankert sei. "Denn menschliches Leben ist Leben von Anfang an. Es ist inakzeptabel, ihm in seinen neun Monaten im Mutterleib keine Menschenwürde zuzusprechen." Eine Petition mit dem Titel "Keine radikale Lebensfeindin ins Bundesverfassungsgericht: Stimmen Sie gegen Frauke Brosius-Gersdorf" haben bislang rund 115.000 Menschen unterschrieben.

 

Das ZdK ist das höchste repräsentative Gremium des deutschen Laien-Katholizismus. Es vertritt die katholischen Laien bei der gesellschaftlichen Meinungsbildung und ist das von der Deutschen Bischofskonferenz anerkannte Organ zur Koordinierung des Laienengagements in der Kirche.

 

Protest von Lebensschützern

 

Unterdessen hat CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann erneut zur Unterstützung für die SPD-Kandidatin aufgerufen. Deren Wahl sei auch "kein Angriff auf den Schutz des ungeborenen Lebens", sagte Hoffmann der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Sie habe in verschiedenen juristischen Schriften klargestellt, dass das Grundrecht auf Leben nicht erst ab Geburt gilt, sondern bereits dem Embryo zustehe. Abtreibungsgegner haben für Freitag eine Demonstration vor dem Reichstag angekündigt, um gegen die Personalie zu protestieren.