Bayreuth (epd) – Mehr Krankenhauseinweisungen, mehr Rettungseinsätze, höhere Unfallzahlen: Der Klimawandel und die damit verbundenen längeren Hitze- und Trockenperioden haben Folgen für das Gesundheitssystem. Sie stellen ein großes Risiko für die gesamte Bevölkerung dar, weshalb dringend Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen, sagt Sarah Heidenreiter von Universität Bayreuth. Im Projekt „Hitzeresiliente Gesundheitsversorgung“ (HIRGEV) untersucht die Universität federführend den Zusammenhang von Hitzeereignissen mit Krankheitshäufigkeit, Sterblichkeit, steigenden Kosten sowie die Auslastung von Gesundheitssystemen.
Frau Heidenreiter, wie reagiert der menschliche Körper grundsätzlich auf Hitze?
Sarah Heidenreiter: Die Gefäße weiten sich, man wird rot im Gesicht, schwitzt, um den Körper herunterzukühlen. Wenn die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit länger besonders hoch sind, wird das schwieriger. Das heißt, die Kerntemperatur und der Puls steigen, das ist eine erhöhte Belastung für das Herzkreislaufsystem, auch die Atmung wird verstärkt. Im Extremfall kann es dazu führen, dass der Kreislauf kollabiert und man bewusstlos wird.
Gilt das nur für kranke Menschen oder für jeden in gleichem Maß?
Man muss sich vor Augen führen, dass Hitze für jeden eine Gefahr ist. Die Belastung aber ist individuell, bestimmte Gruppen sind gefährdeter als andere. Vulnerable Gruppen sind beispielsweise Säuglinge und Kinder, Schwangere, ältere Menschen oder solche mit Vorerkrankungen. Für diese Gruppen ist die Hitze noch mal gefährlicher. Daneben gibt es auch Berufsgruppen, die besonderen Belastungen an heißen Tagen ausgesetzt sind., wie der Dachdecker bei starker Hitzeexposition oder auch die Sportlerin. Dann besteht auch für sie eine Gefahr, obwohl sie grundsätzlich als gesunde, fitte Menschen gelten.
Sie haben Daten gesammelt und entwickeln derzeit Modelle und Simulationen, um zu erforschen, wie das Gesundheitssystem auf Hitzewellen vorbereitet ist. Packt unser Gesundheitssystem lang anhaltende Hitzewellen?
Wir arbeiten mit Daten der gesetzlichen Krankenversicherungen und verknüpfen diese mit Klima- und Wetterdaten, um die Verbindung zwischen Hitze und Krankheitslast, Sterblichkeit und Belastung des Gesundheitssystems darzustellen. Wir haben 2024 begonnen mit unserer bis 2027 angelegten Untersuchung. Was sich jetzt – auch in anderen Ländern – schon zeigt: dass wir häufigere Krankenhauseinweisungen haben, mehr Rettungseinsätze, eine erhöhte Zahl von Unfällen durch Hitzewellen. Neben den Hitzeerkrankungen kann es sich so auswirken, dass chronische Erkrankungen sich verschlechtern, sodass Menschen im Krankenhaus behandelt werden müssen. Oder man beobachtet ein erhöhtes Auftreten von Schlaganfällen und Herzinfarkten, psychische Erkrankungen können sich verschlechtern. Auch die Wirkung von Medikamenten verändert sich durch Hitze, Anpassungen werden erforderlich. All das ist natürlich mit erhöhten Kosten für unser Gesundheitssystem und einer stärkeren Auslastung von Strukturen verbunden.
Wie weit sind das Gesundheitssystem und die Gesellschaft darauf vorbereitet?
Es gibt dahingehend Empfehlungen, wie beispielsweise Krankenhäuser Anpassungsmaßnahmen vornehmen müssen, um sich besser auf Hitzewellen vorzubereiten. Das sind präventive Maßnahmen, langfristige bauliche Veränderungen und Akutmaßnahmen. Es zeigt sich, dass wir tatsächlich aber noch ein Umsetzungsdefizit haben. Wir brauchen Lösungen, um unser Gesundheitssystem hitzeresilienter zu machen.
Von welchem Zeitfenster ist dabei auszugehen?
Wie dringend das Thema ist, zeigt sich an der kommenden LÜKEX-Übung. Das ist eine länder- und ressortübergreifende Krisenmanagement-Übung, die vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz- und Katastrophenhilfe organisiert wird. Für das Jahr 2026 hat diese Übung „Extreme Hitzewellen und Dürre“ als Szenario gewählt. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass sich bundesweite und föderale Akteure in den Gesundheits-, Wirtschafts- und Umweltministerien, KRITIS-Unternehmen und die Hilfsorganisationen der Frage stellen: Wie gut sind wir wirklich vorbereitet und welche Maßnahmen müssen ergriffen werden?
Gibt es eine Erklärung dafür, weshalb die Gesundheitsvorsorge und der Bevölkerungsschutz praktisch erst in den Anfängen stecken?
An den Hitzeschutzaktionsplänen sieht man, dass sich etwas getan hat und man dabei ist, diese auch immer mehr umzusetzen. Aber es zeigt sich jetzt erst nach und nach, welche Auswirkungen mit solchen Hitzewellen assoziiert sind, wie das Gesundheitssystem langfristig dadurch belastet wird. Da ist noch eine Menge zu tun, und da wollen wir mit unserem Projekt ansetzen. Wir wollen Prognosen treffen, wie sich das ganze Krankheitsgeschehen, die Sterblichkeit und die Kosten durch Hitze verändern werden, welchen Einfluss die Hitze hat und wie wir damit umgehen müssen, das heißt, welche Anpassungen erforderlich sind.
Ich habe das Krankenhaus beispielhaft genannt, aber genauso geht es auch um Pflegeeinrichtungen, um die öffentliche Verwaltung: Was ist notwendig, um Hitzeschutz nicht nur in einem Plan festzusetzen, sondern wirklich auch in der Praxis zu implementieren?
Welche Probleme stellen sich im Einzelnen?
Die entsprechenden Personengruppen müssen erreicht werden. Pflegeeinrichtungen oder auch Kindergärten müssen rechtzeitig informiert werden, dass sie Maßnahmen ergreifen müssen. Wenn man an alleinlebende Ältere denkt, ist das nicht mehr so einfach. Oder diejenigen, die zuhause von den Angehörigen gepflegt werden. Da gibt es auf jeden Fall Bedarf, um einen adäquaten Hitzeschutz zu erreichen und Personen stärker zu sensibilisieren, wie sie sich und andere, auch alleinlebende Nachbarn vor Hitze schützen können.