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Erfahrung ist nicht zu bewältigen

Kateryna Buchko (hintere Reihe, 2. von rechts) mit den Schülerinnen und Schülern des Kaiser-Heinrich-Gymnasiums sowie Lehrer Bernd Franze (5. von rechts) und dem Leiter des Referates Weltkirche im Erzbistum Bamberg, Michael Kleiner (rechts). Foto: Kemmer
Kateryna Buchko (hintere Reihe, 2. von rechts) mit den Schülerinnen und Schülern des Kaiser-Heinrich-Gymnasiums sowie Lehrer Bernd Franze (5. von rechts) und dem Leiter des Referates Weltkirche im Erzbistum Bamberg, Michael Kleiner (rechts). Foto: Kemmer

Bamberg (kem) – Kinder und Jugendliche in der Ukraine führen ein gar nicht so anderes Leben wie Kinder und Jugendliche in Deutschland. Sie treiben Sport, spielen Musikinstrumente, gehen zur Schule. Doch mit dem Angriffskrieg Russlands auf das Land mit seinen 40 Millionen Einwohnern haben sich all diese Routinen und lieb gewonnenen Rituale schlagartig geändert.

 

Wie zum Beispiel für die elfjährige Kateryna. Sie turnt gern, gewinnt sogar Medaillen. Auf einem Bild lacht sie in die Kamera. Das Bild ist noch nicht alt, dennoch scheint es weit weg zu sein. Denn Kateryna starb in ihrer Heimatstadt Mariupol bei einem russischen Luftangriff im März 2022.

 

Die Schülerinnen und Schüler des Kaiser-Heinrich-Gymnasiums schweigen. Sie wirken betroffen. Viel näher scheint der Krieg, wenn er anhand solcher Schicksale präsentiert wird. Und diejenige, die diese Schicksale zeigt, kennt sich aus. Kateryna Buchko ist promovierte Theologin und Pädagogin und auf Einladung des Osteuropahilfswerkes Renovabis zu Gast in Bamberg. Vor den 15- bis 17-Jährigen erzählt sie vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, spricht von „Genozid“, von Angriffen auf Kindergärten und Krankenhäusern“ und von „2000 Kilometer Frontlinie“. „Das ist eine Strecke von Warschau nach Barcelona.“ Außerdem erzählt sie davon, welche Erfahrungen sie mit Kriegs- und Flüchtlingskindern gemacht hat. 

 

4,5 Millionen Kinder und Jugendliche mussten ihre Heimat verlassen. Das ist fast die Hälfte aller Geflüchteten in der Ukraine. Zwei Millionen von ihnen flohen ins Ausland, 350 000 davon kamen in Deutschland an. Viele von ihnen erlitten Traumata. „Was haben sie alles vor, auf, nach der Flucht mitgemacht?“, fragt Buchko, die weiß, dass nicht wenige Kinder unter dem Verlust der Heimat, von Familienmitgliedern und Freunden leiden und auch körperliche und seelische Gewalt ertragen mussten. 

 

„Es sind Erfahrungen, die nicht zu bewältigen sind“, so Buchko. Umso wichtiger sei es, dass den Kindern und Jugendlichen in ihrer neuen „Heimat“ ein Stück weit Normalität und Routine gegeben wird. „Das können gemeinsame Rituale wie Essenspausen, Hausaufgaben oder Hobbys sein. Wichtig sei aber auch, ihnen die Möglichkeit zum Gespräch zu geben. Hier sieht Kateryna Buchko vor allem die Lehrkräfte in der Pflicht. „Sie müssen keine Lösungen haben, aber ein offenes Ohr – und den Willen, die Kinder und Jugendlichen dann an geeignete Stellen zu vermitteln.“

 

Hobbys und Gespräche helfen

 

Im Nachgang zu ihrem Vortrag ermutigte Kateryna Buchko die Jugendlichen, sich selbst Gedanken darüber zu machen, welche guten Erfahrungen sie mit Gleichaltrigen mit Migrationshintergrund gemacht haben und wo es bei diesem Thema noch Verbesserungsmöglichkeiten gebe. Die Jungen und Mädchen machten vor allem die Sprachbarrieren sowie der auf beiden Seiten manchmal fehlende Wille zur Integration als Probleme aus. Andererseits sei es toll, „Neues kennenzulernen und so auch neue Freundschaften zu knüpfen“. Dies funktioniere vor allem niederschwellig über Hobbys wie Sport oder Kochen, aber auch in der Schule.

 

Am Abend referierte Kateryna Buchko gemeinsam mit dem Psychotherapeuten Prof. Dr. Cedric Sachser an der Uni Bamberg zum Thema „Welche Auswirkungen hat der anhaltende Krieg in der Ukraine auf Kinder? Wie kann man traumatisierten Kindern helfen?“