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Theologe Sellmann: "Kirche muss Dienstleister sein"

Köln (KNA) – Damit Menschen sich heute für Kirche und Religion interessieren, braucht es laut dem Theologen Matthias Sellmann neue Berufsbilder, neue Teamlösungen und neue Organisationslösungen: "Ich glaube, es baucht auch eine neue Idee des Bischofsamtes und neue liturgische Formen", sagte der Professor an der Ruhr-Universität Bochum dem kirchlichen Kölner Internetportal domradio.de am Montag.

 

Als erwachsener Mensch von heute wolle man eine professionelle Kirche als Gegenüber haben, erklärte Sellmann. Besonders wichtig sei das in Fragen der Seelsorge, die es nicht nur innerkirchlich brauche. Der Theologe betonte, Menschen stellten sich heute die Frage, ob die Kirche wirklich an ihrer Seite sei, wenn es ihnen schlecht gehe. "Und zwar nicht abstrakt, sondern ganz konkret in faszinierenden, helfenden Persönlichkeiten, in der Telefonseelsorge, in der Notfallseelsorge, in der Hospizseelsorge." Sprache, Liturgie, Diakonie seien drei Marker, mit denen Kirche heute wieder Aufmerksamkeit für ihre Glaubwürdigkeit bekommen könne.

 

"Dienstleister für gelingendes Leben"

 

Insgesamt müsste die Kirche aus seiner Sicht als "Dienstleister für gelingendes Leben und für gelingende Kommunen" erkennbar sein. Dazu sollten sich Kirchen auch mit nichtreligiösen Partnerinnen und Partnern vernetzen und als "Netzwerkpartner für den Stadttourismus, für die Feuerwehr, Polizei, für Moscheeverbände, für Caritas, Diakonie, Wohlfahrt" und andere anbieten.

 

Wenn die Kirche sich so neu aufstelle, könnte laut dem Leiter des Bochumer Zentrums für angewandte Pastoralforschung (zap) "authentisches Christsein" möglich werden. "Authentische Christen" sind für ihn "Menschen, die es für möglich halten, dass Beziehungen weitergehen, die es für möglich halten, dass man diese Erde retten kann, dass man sich mit dem Nachbarn versöhnen kann, dass Krankheit und Tod nicht das Ende sind". Man erkenne sie daran, dass sie Fröhlichkeit, Großzügigkeit, Engagement und Humor ausstrahlten - und frage sich dann: "Was motiviert diese Menschen?"

 

In Deutschland wird nach Meinung des Theologen viel zu wenig über den Glauben gesprochen: "Die Menschen reden nicht über ihre Religiosität. Deswegen bildet sich die Idee heraus, der andere sei wahrscheinlich genauso wenig religiös wie ich und interessiere sich gar nicht dafür. Das stimmt aber gar nicht." Wo Menschen über das redeten, was sie antreibe, habe man normalerweise großes Interesse, erklärte Sellmann.