Mainz (KNA) – Der Flüchtlingsschutz in Deutschland muss aus Sicht von Erzbischof Stefan Heße weiterentwickelt werden. „Die Humanität darf nicht abgebaut werden“, warnte er am vergangenen Mittwoch in Mainz beim neunten Flüchtlingsgipfel der katholischen Kirche. Die Debatte um Flüchtlinge sei so zugespitzt, dass viele Menschen das Thema Migration für die größte Herausforderung hielten. Statt politischer Zuspitzung brauche es eine differenzierte und lösungsorientierte Herangehensweise.
Doch der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD wirft aus Sicht des Vorsitzenden der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz Fragen auf. Der Hamburger Erzbischof kritisierte unter anderem die Aussetzung des Familiennachzugs und Zurückweisungen an den Grenzen.
Heße erklärte, Ausgaben für die Flüchtlings- und Integrationsarbeit nützten der „Zukunft unseres Landes“. Daher sei es wichtig, dass sich die Kirche weiter für diese Themen engagiere. In einer Podiumsdiskussion mit der rheinland-pfälzischen Integrationsministerin Katharina Binz (Grüne) und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Landkreistages, Götz Ulrich (CDU) aus Sachsen-Anhalt, forderte er die Politik auf, Erfolge bei der Integration
von Migranten nicht kaputtzureden.
Die Freiburger Professorin für christliche Gesellschaftslehre, Ursula Nothelle-Wildfeuer, wies die Kritik von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner an politischen Wortmeldungen der Kirchen zurück. „Das verfehlt eindeutig die Botschaft des Evangeliums.“ Wenn die Welt brenne, gebe es anderes zu tun, als in der Sakristei Blumen zu gießen.
Sie wandte sich auch gegen die Interpretation christlicher Nächstenliebe von US-Vizepräsident JD Vance, der dabei eine Rangfolge von näher- bis fernerstehenden Menschen behauptet hatte.
„Dass damit für die Migranten kein Stück dieser Liebe übrigbleibt, ist offenkundig“, sagte sie. Man habe vielmehr aus christlicher Perspektive die Schutzbedürftigen mehr zu lieben als Wohlhabende.
Resilienz aufbauen
Für die gesellschaftliche Fähigkeit, Resilienz aufzubauen und Widrigkeiten gemeinsam zu begegnen, plädierte die Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration, Birgit Glorius. Es sei höchste Zeit, die Menschen fit zu machen für anstehende Transformationsprozesse und damit auch Ängsten vor Migrationsfolgen entgegenzuwirken.
Es gelte zudem, dabei alle Menschen mitzunehmen. Sie zitierte eine aus dem Libanon nach Bautzen in Sachsen geflüchtete Frau: „Man muss doch auch die Rechten integrieren, um gesellschaftlich weiterzukommen.“
Beim Flüchtlingsgipfel kamen insgesamt rund 160 Vertreteraus Wissenschaft, Flüchtlingsarbeit und Kirche in Mainz zusammen.
2024 hat die kirchliche Flüchtlingshilfe mit rund 40 000 haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern bundesweit fast 500 000 Menschen erreicht. 34 Millionen Euro seien dabei deutschlandweit für Flüchtlingshilfe verwandt worden, dazu kämen 50 Millionen Euro für Projekte in anderen Ländern.