Köln (KNA) – Künstliche Intelligenz (KI) als neuer Gott? Für diese Sichtweise spricht nach Worten der Philosophin Claudia Paganini einiges. Viele Menschen sähen in KI-Anwendungen mehr als eine technische Lösung für Alltagsprobleme, sagte Paganini am Donnerstag im Deutschlandfunk. So sei immer häufiger zu hören, dass etwa ChatGPT in emotionalen Krisen ein bevorzugter Gesprächspartner sei.
Statt einem Morgengebet oder einer Meditation könne man den Tag auch beginnen, indem man eine KI frage, wie das Wetter werden solle oder was über Nacht in der Welt geschehen sei. "So entstehen neue Rituale", sagte die Ethikerin. Eine spirituelle Dimension bekämen diese immer dann, wenn es nicht nur um Informationsabfrage gehe, sondern darum, "Orientierung und Sinn in einer herausfordernden Situation zu finden".
Soziale und ökologische Probleme bei KI
Sie sehe handfeste Probleme im Umgang mit KI, fügte Paganini hinzu: "Wie viel Strom verbrauchen wir für banale Kommunikation mit Chatbots - in Zeiten von Ressourcenknappheit?" Zudem profitierten Menschen hierzulande davon, dass in anderen Ländern unter schlechten Arbeitsbedingungen die sogenannte Klickarbeit erfolge, KI-Tools also trainiert würden.
Papst Leo XIV. hatte zuletzt erklärt, die Entwicklung von KI bringe "neue Herausforderungen für die Verteidigung der Menschenwürde, der Gerechtigkeit und der Arbeit mit sich". Die Frage nach einer Bedrohung des Menschlichen betrachte sie als weniger vordringlich, sagte die Forscherin. Allerdings rechne sie damit, dass die großen Religionen künftig Konkurrenz durch KI bekommen würden.
Der Mensch braucht auch etwas Unvernunft
Paganini spricht von einer neuen Phase der Religionsgeschichte: Nachdem man in der Aufklärung angenommen habe, menschliche Rationalität und Eigenverantwortung würden die Oberhand gewinnen, habe sich diese Hoffnung nur bedingt erfüllt. "Ohne transzendente Sinnsuche, ein göttliches Du und auch gewisse unvernünftige Anteile kann der Mensch das Leben nicht bewältigen."
Auf KI-Anwendung träfen klassische göttliche Attribute "erschreckend gut" zu, so die Autorin des soeben veröffentlichten Buchs "Der neue Gott" weiter: Sie sei allgegenwärtig und ansprechbar; ihre Fähigkeit zur Auswertungen von Daten grenze an Allwissenheit. Dies betreffe etwa die Diagnostik von Krankheiten, die bislang nicht erkannt worden seien, weil Menschen keine derart genaue Bezüge herstellen könnten.