Bonn (KNA) – In der Bonner Grundschule Medinghoven ist morgens um halb sieben kaum ein Geräusch vernehmbar. Nur im Frühstücksraum ist schon Bewegung. Die beiden Ehrenamtlichen der Initiative Brotzeit, Petra Hagmann und Roland Dönicke aus Alfter, legen Wurst- und Käsescheiben auf Teller, füllen Orangensaft, Milch und warmen Kakao in Karaffen. Das Buffet ergänzen außerdem Joghurt, Marmelade und geschnittene Äpfel.
Die ehemalige Bankkauffrau Hagmann erfuhr vor zwei Jahren durch eine Fernsehsendung von der Initiative Brotzeit. "Ich fand es traurig, dass Kinder ohne Frühstück in den Tag starten müssen", erzählt die Rentnerin. Sie habe dem Verein daraufhin ihre Unterstützung angeboten.
Hungrige Mägen schon um halb neun
Seit Mai 2024 engagiert sich der Verein mit seinen Ehrenamtlichen an der Grundschule. Die Lebensmittel für die teilnehmenden Schulen spendet bundesweit die Supermarktkette Lidl. Die Initiative trägt die Speditionskosten für den Transport.
Die Bonner Schulleiterin Elke Buttgereit betreut das Frühstück von Anfang an - es wirke, sagt sie. Zuvor hatten viele Schulkinder bereits gegen halb neun im Unterricht gesagt, dass sie Hunger hätten.
Warum die Kinder zu Hause kein Frühstück bekommen - ob die Eltern nichts da haben oder sich nicht darum kümmern -, frage niemand nach. "Das ist eine müßige Diskussion", sagt Buttgereit. Die Schule befinde sich im sozialen Brennpunkt; wichtig sei, die Kinder vor dem Unterricht zu stärken. Das Projekt sei langfristig geplant und ende nur bei geringerer Teilnahme. Den Eigenanteil des Trägers in Höhe von 3000 Euro zahle die Stadt nicht mehr, wenn bei Schulen ab 350 Schülern durchschnittlich weniger als 35 Kinder kommen würden. Danach sieht es in Medinghoven nicht aus: Rund 40 Kinder der 165 Schüler nehmen das Angebot jeden Morgen durchschnittlich an. Das liege insbesondere daran, dass sie ohne Geld oder Anmeldung teilnehmen könnten, so Buttgereit.
Mehr Ehrenamtliche gesucht
Die Initiative wächst derzeit bundesweit. In Bonn ist sie seit diesem Jahr auch an zwei weiteren Schulen aktiv - und sucht noch mehr Ehrenamtliche. Roland Dönicke will sein Ehrenamt fortführen: "Mich berührt, wie die Kinder morgens hereinkommen, zum Teil schon vor sieben Uhr, weil die Mutter zur Schicht im Krankenhaus muss", erzählt Dönicke während der Vorbereitung.
Das erste Kind betritt um kurz vor sieben Uhr den Raum. Der Erstklässler grüßt mit "Guten Morgen", nimmt sich einen Teller und legt Brot und Wurst darauf. Sein Glas füllt der Schüler mit Milch und gibt etwas Honig dazu, dann isst er in Ruhe an einem der Gruppentische.
Zu Hause hätte der Siebenjährige kein Frühstück bekommen. Genauso wie jene anderen Kinder der Grundschule, die das Angebot jeden Morgen annehmen. "Ich möchte für die Kinder, die hier sind, eine freundliche Atmosphäre schaffen", betont Hagmann. Sie wolle den Kindern Raum geben und ihnen zeigen, dass sie wertvoll sind. Die 63-Jährige berichtet von einem tiefgreifenden Erlebnis: Ein Kind, dass perfekt Deutsch sprach, sei nach den Sommerferien nicht wiedergekommen. Dann habe sie erfahren, warum: "Die Familie wurde leider abgeschoben", bedauert Hagmann. Durch ihr Ehrenamt habe sie das zum ersten Mal so direkt miterlebt.
Klassenübergreifende Gemeinschaft
Nach und nach treffen weitere einzelne Kinder ein, die sich Frühstück vom Buffet nehmen und sich an verschiedene Tische setzen. Im Raum ist es ruhig, die Kinder essen in Gedanken versunken. "Ich beschränke mich auf einen Blickkontakt, da sich die Kinder nach meinem Eindruck nicht wünschen, dass ich auf sie zugehe", sagt Dönicke, der vor der Rente als Psychotherapeut arbeitete. Das Grundschulalter sei eine wichtige Phase, bei der er die Kinder begleiten wolle. Ihm imponiere, wie viel Selbstbewusstsein sie ausstrahlten, wie klar, freundlich und unverstellt sie seien.
Immer mehr Kinder kommen an, legen ihre Rucksäcke und Jacken ab, begrüßen ihre Freunde und setzen sich in Gruppen zusammen - auch aus unterschiedlichen Klassen und Stufen. Eine Gemeinschaft ist gewachsen. "Sie haben viele Kompetenzen, innere Schätze, die gehoben werden müssen", meint Dönicke. Er wolle unterstützen, auf dass ihr weiterer Lebensweg noch vielfältiger werde, sagt der 71-Jährige. Das sei der Kern: dazu einen kleinen Beitrag zu leisten.