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Trubel um den Einsiedler von Nürnberg

Genau 600 Jahre nach der Heiligsprechung des Nürnberger Stadtpatrons Sebaldus stehen Ministerprä­sident ­Markus Söder (von links), OB Marcus König, Sebalduspfarrer Martin Brons und Stadtdekan Andreas Lurz vor der ­Urkunde. Foto: ep
Genau 600 Jahre nach der Heiligsprechung des Nürnberger Stadtpatrons Sebaldus stehen Ministerprä­sident ­Markus Söder (von links), OB Marcus König, Sebalduspfarrer Martin Brons und Stadtdekan Andreas Lurz vor der ­Urkunde. Foto: ep

Nürnberg (buc) – Viel weiß man nicht über ihn. Im Grunde fast nichts. Das einzige, was sicher ist: Um das Jahr 1072 beginnt in Nürnberg die Verehrung des Einsiedlers Sebald, Wallfahrer kommen aus nah und fern zu seinem Grab mitten in der Stadt, bitten um Fürsprache, hoffen auf Heilung. Der tote Sebaldus wirkt Wunder und wird bald als Heiliger betrachtet. Die spätere Reichsstadt mit Weltgeltung macht ihn zu einem ihrer Patrone, zu einem Aushängeschild, zu einer Marke.

 

An der Marke klebt seit 600 Jahren der Zettel „Heiliger“. Am 26. März 1425 unterzeichnete Papst Martin V. in Rom die Heiligsprechungsurkunde, um die ihn Rat und Bürgerschaft der Stadt eindringlich gebeten hatten. Mit dem Segen des Sanktifizierten ließ sich besser Handel treiben, die Pilger spülten Geld in die Stadt, und für das Seelenheil konnte der sebaldische Schutz auch nicht schaden. Noch war nicht Reformation, die lutherische Gnade nicht alleinseligmachendes religiöses Erfolgsrezept.

 

Der Jahrestag der Heiligsprechung wurde mit einer Festveranstaltung begangen, die dem Eremiten Sebaldus vielleicht gar nicht so gut gefallen hätte, obwohl an seinem Grab ja täglich Hunderte Touristen vorbeiströmen und der Tote den Trubel gewohnt sein müsste. Nachdem Nürnbergs größter Sohn der Gegenwart, Ministerpräsident Markus Söder, seine Anwesenheit bei der Feierlichkeit erbeten hatte, sahen sich die Kirchen gedrängt, das Ereignis von einer besinnlichen Veranstaltung im Caritas-Pirckheimer-Haus zu einem Stadt- und Staatsakt direkt vor dem Heiligengrab aufzupäppeln.

 

Kuchen und Blumenschmuck

 

Koalitionsverhandler Söder, ersichtlich im Durchreisemodus, aß erst Kuchen, warf dann einen Blick auf die ausgestellte Heiligsprechungsurkunde, die man zur Feier des Tages aus dem Staatsarchiv herbeigeschafft hatte, zupfte am weiß-blauen Blumenschmuck für Sebaldus herum, hielt ein launig-salbungsvolles Grußwort („Es geht hier um gewisse Ewigkeiten, die es in Berlin so schnell nicht gibt“) und entschwand dann in der Limousine Richtung unewige Hauptstadt.

 

Zuvor jedoch lauschte er dem Grußwort von Erzbischof Herwig Gössl, das vom katholischen Stadtdekan Andreas Lurz verlesen wurde. Gössl zeigte sich dankbar, dass die Erinnerungsfeier in ökumenischer Eintracht begangen werde. Sebaldus verbinde die Konfessionen, sein Grabmal sei auch nach Einführung der Reformation in Ehren gehalten worden. Ein Heiligengrab in einer evangelischen Kirche gibt es tatsächlich nicht allzu oft. Und das Grabmal hinter dem Altar von St. Sebald ist ein herausragendes Kunstwerk der Renaissance, geschaffen von Peter Vischer.

 

Der Erzbischof wollte es allerdings nicht bei der frommen Reminiszenz an den Nürnberger Stadtpatron bewenden lassen, sondern spannte wie Söder den Bogen in die Gegenwart. Sebaldus mache deutlich, wie wichtig der christliche Glaube für das Leben der Menschen war und ist, so Gössl: „Auch heute braucht es Menschen, die von der Hoffnung Zeugnis geben, die ihnen der Glaube schenkt.“ Dieser Glaube habe immer politische Bedeutung, denn er vermittele Orientierung in den oft verworrenen Problemlagen des Alltags.

 

Oberbürgermeister Marcus König bezeichnete den Nürnberger Stadtpatron als „Teil unserer Geschichte und Identität“. Er mahnte die Kirchen, über die Grenzen der Konfessionen zusammenzuarbeiten und sich nicht aus der sozialen Arbeit zurückzuziehen. St. Sebald ist traditionell eng mit dem benachbarten Rathaus verbunden. Das Kreuz in Königs Amtszimmer wurde aus Nägeln gefertigt, die bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg die Dachbalken des Gotteshauses zusammenhielten.

 

Was lässt sich heute noch von Sebald lernen? Er sei ein „Containerheiliger“, in den schon immer viel hineinprojiziert worden sei, sagte Sebalduspfarrer Martin Brons. In den Legenden um ihn spiegele sich die Stadtgeschichte. Und wer weiß, so der Geistliche, vielleicht stehe das Einsiedlerdasein auch für die Sehnsucht der Stadtbürger nach Ruhe, Natur, Abgeschiedenheit.