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Hirtenbrief von Erzbischof Gössl: „Jesus Christus ist der Garant unserer Hoffnung“

Erzbischof Herwig Gössl. Foto: Archiv
Erzbischof Herwig Gössl. Foto: Archiv

Bamberg (pm) - Zur Eröffnung des Heiligen Jahres 2025 richtet sich Bambergs Erzbischof, Herwig Gössl, in einem Hirtenbrief an die Gemeinden und Pfarreien im Erzbistum. Dabei betont er, dass vor allem junge Menschen trotz all der Probleme und Krisen auf der Welt nicht die Hoffnung verlieren dürften. 

   

Liebe Schwestern und Brüder im Erzbistum Bamberg, 

Maria ist „guter Hoffnung“ als sie sich aufmacht zu ihrer Verwandten Elisabeth im Bergland von Judäa. Sie trägt in ihrem Leib das Kind, das sie empfangen hat, nachdem sie zur Botschaft des Engels Gabriel ihr „Ja“ gesprochen hatte. „Guter Hoffnung sein“ – das ist eine alte Redewendung, die besagt, dass eine Frau schwanger ist, dass sie ein Kind unter dem Herzen trägt. Es ist eine sehr schöne Redewendung, denn sie bringt zum Ausdruck, was eigentlich jedes Kind für diese Erde bedeutet. Jedes Kind ist ein Lichtstrahl der Hoffnung, ein Zeichen für Zukunft und Neuanfang. 

 

Viele junge Menschen erklären heute, dass sie es nicht verantworten könnten, Kinder zur Welt zu bringen; jedenfalls nicht in diese Welt mit all ihren Problemen, angefangen von der Dramatik des Klimawandels bis hin zur Bedrohung durch Kriege, Gewalt und Hunger und mit all den wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten. Mir steht es am wenigsten zu, diese Überlegungen junger Menschen zu kritisieren. Doch möchte ich uns allen zu bedenken geben, welche gesellschaftspolitischen Folgen diese Entwicklung hat und haben wird. Die jungen Menschen mit ihren Ideen und mit ihrer Energie fehlen schon heute in allen möglichen Bereichen der Arbeitswelt, der gesellschaftlichen Gruppen und natürlich auch der Kirche. Und die weniger werdenden jungen Erwachsenen blicken mit zunehmender Sorge auf die Erwartungen der älteren Menschen, denen sie sich nicht gewachsen und von denen sie sich überfordert fühlen.  

 

Vor allem aber meine ich hinter dieser Entwicklung eine Perspektive der Hoffnungslosigkeit zu erkennen, die sehr bedenklich ist. Wir alle sind mitverantwortlich dafür, dass sich durch unser Denken, Reden und Tun Hoffnung und Zuversicht verbreiten und wir nicht in einem Strudel der Aussichtslosigkeit versinken. Das gilt für die Entscheidungsträger in der Politik genauso wie für die Medienverantwortlichen und natürlich auch für die Art und Weise, wie wir alle miteinander sprechen und umgehen. 

 

Woher kommt die Hoffnung?

 

Doch woher kommt die Hoffnung? Wie kann sie wachsen? Ist sie nur eine Fiktion, eine Einbildung, die entsteht, wenn ich vor der konkreten Wirklichkeit mit all ihren Problemen und Sorgen die Augen verschließe? Hat Hoffnung mit einer gewissen Blauäugigkeit zu tun, die alles Negative verdrängt und nicht wahrhaben will? Ist Hoffnung also naiv? Wenn es so wäre, dann müsste sich niemand wundern, wenn Menschen sich heute dagegen wenden. 

 

Ich habe schon den Eindruck, dass manche vermeintlichen Hoffnungsstifter so vorgehen, dass sie versuchen zu beschwichtigen, eine Lösung aller Probleme vorzugaukeln und Versprechungen zu machen, die sich nicht umsetzen lassen. Die Werbeindustrie funktioniert oft auf dieser Basis, aber auch die verbreitete Ansicht, man könne durch absolute Transparenz oder durch Innovationen immer größere Sicherheit gewinnen. 

 

Ich bin überzeugt: Hoffnung ist etwas anderes. Sie wächst nicht auf der Grundlage unserer Ideen und Fähigkeiten. Vor allem muss sie nicht all das Negative, Traurige und Schreckliche ausblenden, das uns ständig begegnet. Hoffnung hat ihr Fundament nicht in dieser Welt, die immer vorläufig, unvollkommen und endlich bleibt. 

 

Der tschechische Menschenrechtler und Politiker Václav Havel, der sicher nicht als kirchlich voreingenommen gilt, hat im Jahr 1990 gesagt: „Hoffnung (ist) eine Dimension unserer Seele und (…) in ihrem Wesen nicht abhängig von irgendwelchem Beobachten der Welt oder Abschätzen von Situationen. Hoffnung ist keine Prognostik. Sie ist Orientierung des Geistes, Orientierung des Herzens, die die unmittelbar gelebte Welt übersteigt und irgendwo in der Ferne verankert ist, hinter ihren Grenzen. (…) Ihre tiefen Wurzeln spüre ich also irgendwo im Transzendenten. (…) Je ungünstiger die Situation ist, in der wir unsere Hoffnung bewähren, desto tiefer ist die Hoffnung. Hoffnung ist eben nicht Optimismus. Es ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewißheit, dass etwas Sinn hat – ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“

 

Hoffnung liegt in Gott selbst

 

Für uns Christen liegt die Wurzel der Hoffnung nicht irgendwo im Transzendenten, sondern in Gott selbst. Das Symbol der christlichen Hoffnung ist der Anker. Die Hoffnung gibt Halt, nicht in dem, was wir produzieren, sondern in der abgründigen Tiefe, die sich unserem menschlichen Zugriff entzieht.

 

Maria war guter Hoffnung, denn sie trug den unter dem Herzen, der Grund aller Hoffnung ist: Jesus Christus. 

Im Jahr 2025 begehen wir das Heilige Jahr, dem Papst Franziskus das Motto vorangestellt hat: „Pilger der Hoffnung“. Zugleich denken wir in diesem Jahr daran, dass vor 1700 Jahren das erste Ökumenische Konzil in Nizäa stattgefunden hat. Auch bei den damals behandelten theologischen Streitfragen ging es um den, der uns Hoffnung gibt. Wer ist Jesus Christus? Wahrer Gott und wahrer Mensch, eines Wesens mit dem Vater, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott. Diese Formulierungen des Konzils von Nizäa sind in das Große Glaubensbekenntnis eingegangen, das leider nicht sehr häufig in unseren Gottesdiensten gesprochen wird. Vielleicht wäre dieses Gedenkjahr ein guter Anlass, öfter dieses alte Zeugnis des Glaubens in die Gottesdienste aufzunehmen.

 

Noch wichtiger wäre aber, sich über dessen Inhalte auszutauschen und zu fragen: Was bedeutet die Menschwerdung Gottes für mich? Wer ist Jesus Christus für mich? Ist die Beziehung zu ihm der Grund meiner Hoffnung? Im Evangelium ist davon die Rede, dass die Begegnung mit dem ungeborenen Jesus bei dem ebenfalls ungeborenen Johannes große Freude auslöst. Es ist genau diese Freude, die die Begegnung mit Jesus Christus auch uns schenken will. Suchen wir Orte und Gelegenheiten der Begegnung mit ihm in diesem Heiligen Jahr. Das können Kirchen und Kapellen sein, aber auch Einrichtungen der Caritas, Schulen und Jugendheime, Erwachsenenbildungs-angebote, Glaubenskurse oder Glaubensgespräche unterwegs. Besondere Begegnungsmöglichkeiten mit Jesus Christus, dem Sohn Gottes, sind natürlich in diesem Heiligen Jahr die Sakramente, insbesondere der Buße und der Eucharistie. Wir sind eingeladen, uns dankbar der eigenen Taufe zu erinnern und vielleicht auch ganz bewusst den Ort unserer Taufe aufzusuchen.

 

Wir dürfen Pilger der Hoffnung sein und Orte der Hoffnung identifizieren, uns gegenseitig darauf hinweisen und Menschen einladen, sich von der Hoffnung anstecken zu lassen, die uns erfüllt. Wir sind unterwegs mit der Botschaft des Glaubens, die Hoffnung stiften kann. Sie gibt unserem Leben Sinn, vermittelt Freude und schenkt die Kraft, selbst in ausweglos scheinenden Situationen nicht aufzugeben, ja noch nicht einmal im Angesicht des Todes. Denn Jesus Christus, der gekreuzigte und auferstandene Herr, ist der Garant unserer Hoffnung. In ihm hat Gott sich mit uns Menschen verbunden – für immer.  

 

In wenigen Tagen feiern wir Weihnachten. Es ist das Fest der guten Hoffnung. Ich wünsche Ihnen und Euch allen, dass dabei die Begegnung mit Jesus Christus möglich wird und dass von dorther Frieden ausstrahlt in unsere Beziehungen, in die Familien, in unsere Kirchen und Gemeinden. Ich erbete und erflehe mächtige Impulse des Friedens und der Versöhnung für die Menschen in Syrien, im Heiligen Land und in der Ukraine und an so vielen anderen Orten auf dieser Erde.  

 

Für den Pilgerweg der Hoffnung in diesem Heiligen Jahr erbitte ich Ihnen und Euch allen den Segen des dreieinigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. 

 

Ihr und Euer  

Herwig Gössl  

Erzbischof von Bamberg