Reichenau (KNA) – Zum 1300-jährigen Bestehen der Klosterinsel Reichenau erhob Papst Franziskus das Reichenauer Münster zur Basilica minor. Dieser Ehrentitel ist weltweit geschichtlich bedeutenden katholischen Gotteshäusern vorbehalten.
Als Zeichen des päpstlichen Titels wurde beim Patronatsfest des Münsters am 25. April dem Gedenktag des heiligen Markus, das päpstliche Wappen über dem Eingangsportal angebracht. Als Erkennungszeichen dient auch ein eigens angefertigter gelber Schirm. Erzbischof Stephan Burger leitete den Festgottesdienst.
Anschließend wurden die in einem prachtvollen Goldschrein ruhenden Reliquien des heiligen Markus bei einer Festprozession über die Reichenau getragen. Der Markustag ist seit Jahrhunderten Feiertag auf der Insel. Weltweit gibt es etwa 1500 Basilica-minor-Kirchen, in Deutschland rund 80.
Die seit 2001 zum Unesco-Welterbe zählende Klosterinsel Reichenau feiert in diesem Jahr ihre Gründung vor genau 1300 Jahren. Der Legende nach legte der irische Wandermönch Pirmin 724 den Grundstein des ersten Klosters. Das Münster wurde 826 geweiht.
Im frühen und hohen Mittelalter stieg die Benediktinerabtei zu großer religiöser, politischer und kultureller Macht auf. Auf der Bodenseeinsel wurden Eliten ausgebildet, Wissenschaftler forschten zu verschiedenen Themen wie Gartenbau, Musik, Mathematik und Astronomie. Die hier entstandenen prachtvollen Bibelhandschriften zählen heute zum Weltkulturerbe.
Im Jubiläumsjahr gibt es zahlreiche Festveranstaltungen. In der großen kultur-geschichtlichen Ausstellung in Konstanz sind Prachthandschriften und religiöse Kunstwerke zu erleben.
Die Schau im Archäologischen Landesmuseum zeigt mit rund 250 Exponaten, in Medienstationen, 3-D-Rekonstruktionen der Klosterkirchen und in aufwendiger Gestaltung, wie sich die Insel im Mittelalter zu einem geistigen und politischen Zentrum von europäischem Rang entwickelte. „Welterbe des Mittelalters – 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“ läuft bis zum 20. Oktober.
Dass die Mönche keineswegs einsam hinter Klostermauern lebten, beweist das Reichenauer Verbrüderungsbuch. „Darin sind 38 000 Namen von Mönchen, Herrschern, Pilgern und Freunden des Klosters aufgeführt. So etwas wie das Internet des Mittelalters und ein Dokument der europäischen Vernetzung“, sagt Ausstellungsmacher Olaf Siart.
Der Leiter des Karlsruher Generallandesarchivs, Wolfgang Zimmermann, betont, den Mönchen sei es gelungen, Teil eines großen gemeinsamen Kommunikations- und Wissensraums zu sein. „Mit Kontakten zu Islam, nach Nordafrika und ganz Europa. Wenn wir heute erleben, dass Kriege und Krisen Kontakte und internationalen Austausch brüchig werden lassen, können wir von der mittelalterlichen Welt nur lernen.“
Die Ausstellung führt chronologisch von der legendären Gründung über Aufstieg und Blütezeit bis zum Verlust der Selbstständigkeit im Jahr 1540. Die Jahrhunderte überdauernde Autonomie endete. In einem schleichenden Prozess verlor das Kloster nach und nach seinen Einfluss und seinen ehemals sehr großen Grundbesitz.
Präsentiert werden in Konstanz auch neue Forschungsergebnisse zur Architektur und zur Schreibkunst des Mittelalters. Die Ausstellungsdesigner haben einen Altarraum nachgebaut, um die prachtvollen Goldkelche, Monstranzen und Altarteppiche in Szene zu setzen. Wer im Chorgestühl Platz nimmt, hört liturgische Gesänge des zehnten Jahrhunderts: für die Ausstellung eingesungen von Profimusikern im Reichenauer Münster.
Den Höhe- und Mittelpunkt der Schau mit rund 900 Quadratmetern Ausstellungsfläche bildet das Skriptorium: der Ort, an dem die Mönche religiöse Texte verfassten und Bibelhandschriften gestalteten. Farbigkeit und Klarheit der bis zu 1200 Jahre alten Pergamentzeichnungen sind atemberaubend. „Noch nie zuvor ist es gelungen, wieder so viele Prachthandschriften der Reichenau an ihren Entstehungsort zurückzubringen“, sagt Kurator Siart. Berühmt wurde die Reichenau auch als Ort der Wissenschaft. Walahfrid Strabo (um 808 bis 849) forschte zur Gartenbaukunst – sein „Hortulus“-Buch ist Vorbild für die zum Jubiläum neu angelegten Klostergärten auf der Insel.
Als Beispiele für die sakrale Architektur des frühen und hohen Mittelalters zeigt die Schau Ornamente und Altarverzierungen aus Oberitalien. In der Nähe von wichtigen Alpenübergängen gelegen, pflegte die Reichenau enge Kontakte dorthin. Auch bei der Gestaltung der Kirchen der Reichenau arbeiteten italienische Steinmetze mit.
Die Verbindung zwischen Konstanzer Ausstellung und den Denkmälern, Kirchen und Geschichten auf der Reichenau ermöglicht eine eigene, kostenfreie Ausstellungs-App: inklusive Push-Nachrichten für die Gebetszeiten der heutigen Benediktinergemeinschaft auf der Reichenau.