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Der kirchliche Reformdialog in Deutschland steht auf der Kippe - Halt auf freier Strecke

Bischöfe beim Eröffnungsgottesdienst der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) am 19. Februar 2024 im Augsburger Dom in Augsburg. Foto: Harald Oppitz/KNA
Bischöfe beim Eröffnungsgottesdienst der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) am 19. Februar 2024 im Augsburger Dom in Augsburg. Foto: Harald Oppitz/KNA

Bonn (KNA) - Am Donnerstag ist die Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe in Augsburg zu Ende gegangen. Kurz vor ihrem Treffen hatten die Bischöfe auf Druck aus dem Vatikan einen Punkt von der Tagesordnung genommen: die Abstimmung über die Satzung für den Synodalen Ausschuss, dem nächsten Meilenstein des katholischen Reformdialogs in Deutschland. Trotzdem geht die Debatte über den Fortgang weiter. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet einige Fragen rund um dieses Thema.

 

Was war ursprünglich verabredet beim katholischen Reformdialog?

In einem Synodalen Ausschuss wollen Bischöfe und Laien ihre Beratungen über die Zukunft der Kirche in Deutschland fortsetzen, die sie mit dem Synodalen Weg begonnen haben. Weiterhin im Zentrum stehen die vier Themen Macht, Rolle der Frau, priesterliche Lebensform und die katholische Sexualmoral.

Zudem hat der Ausschuss die Aufgabe, die Einrichtung eines Synodalen Rates vorzubereiten, in dem Bischöfe und Laien künftig regelmäßig gemeinsam Entscheidungen treffen.

Der Ausschuss besteht auf dem Papier aus 74 Mitgliedern: den 27 deutschen Ortsbischöfen, 27 Vertretern des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und weiteren 20 von der Vollversammlung des Synodalen Wegs gewählten Mitgliedern. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist das höchste repräsentative Gremium der katholischen Laien.

Im Vorfeld hatten die Bischöfe Gregor Maria Hanke (Eichstätt), Stefan Oster (Passau), Rudolf Voderholzer (Regensburg) und Kardinal Rainer Maria Woelki (Köln) allerdings erklärt, bis auf weiteres auf eine Mitarbeit im Synodalen Ausschuss zu verzichten.

Im vergangenen Herbst hat sich der Ausschuss dessen ungeachtet konstituiert. Die nächste Sitzung ist Mitte Juni in Mainz geplant.

 

Der Vatikan hat erneut interveniert - warum?

Bereits mehrfach hat der Vatikan eine rote Linie mit Blick auf die Reformdebatte gezogen. Danach ist die katholische Kirche in Deutschland nicht befugt, ein Gremium zu gründen, in dem außer den Bischöfen auch Laien über kirchliche Grundsatzfragen mit entscheiden. Genau das aber soll in dem geplanten Synodalen Rat geschehen.

Der jüngste Brief an die deutschen Bischöfe ist unterzeichnet von den Kardinälen und Behördenleitern Pietro Parolin (Staatssekretariat), Victor Fernandez (Glaubensbehörde) und Robert Prevost (Bischofsbehörde). Dabei betonen die Absender ausdrücklich, ihr Schreiben sei Papst Franziskus "zur Kenntnis gebracht und von ihm approbiert worden". Betrachtet man die Skala von Eingaben aus Rom, lässt sich das Ganze auch so zusammenfassen: Viel klarer geht es eigentlich nicht.

 

Was sagen die deutschen Bischöfen und was die an den Debatten beteiligten katholischen Laien?

Die Mehrheit der Bischöfe dürfte das Gefühl einer gewissen Ratlosigkeit mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, teilen. Der Bischof von Limburg hatte sich verwundert gezeigt über den Brandbrief aus dem Vatikan. Schließlich sei man bereits zu drei Gesprächen verabredet, die aber bedauerlicherweise noch nicht stattgefunden hätten.

Bätzing zeigte sich gleichwohl zuversichtlich, die Sorgen aus Rom "zu einem großen Teil" entkräften zu können. "Wir sehen die Notwendigkeit einer guten und gelungenen Kommunikation mit den Verantwortlichen in Rom und werden diese Gespräche, die im Juli vergangenen Jahres begonnen haben, bald in einem weiteren Schritt aufnehmen", so Bätzing zum Abschuss der Bischofsvollversammlung. Wichtigstes Ziel sei im Moment, "einen gemeinsam gangbaren Weg zu finden, bevor wir über Inhalte sprechen".

Dem Vernehmen nach forderte in Augsburg keiner seiner Mitbrüder, sich Rom zu widersetzen. Einige Bischöfe sollen ihrem Unmut über die ständigen Mahnschreiben aus Rom bei gleichzeitig spärlicher Gesprächsbereitschaft Luft gemacht haben. Die Minderheit jener Bischöfe, die dem Synodalen Ausschuss skeptisch bis ablehnend gegenübersteht, dürfte sich in ihrer Haltung durch die Eingaben aus dem Vatikan jedoch bestätigt fühlen.

Bei den Laien schwankt die Stimmung zwischen Frustration und einer "Jetzt-erst-recht"-Haltung. Das legt jedenfalls eine Umfrage des Portals katholisch.de unter Mitgliedern des Synodalen Ausschusses nahe. Lisa Holzer vom Bundesverband der Katholischen jungen Gemeinde (KjG), sagte, sie sei "genervt, verärgert und ungeduldig".

Thomas Arnold, bis vor Kurzem Leiter der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen, betonte, niemand wolle die Einheit mit Rom aufgeben. "Vielleicht wäre es auch ein Zeichen aus Deutschland, von Deutscher Bischofskonferenz und ZdK einen Ort des Denkens einzurichten, wie Evangelisierung in Deutschland gelingen kann."

 

Wie blickt das Ausland auf den Reformdialog in Deutschland?

Im Ausland ist das Interesse an dem Fortgang der Debatte nach wie vor groß. Kurz vor der Vollversammlung sorgte ein Interview des theologischen Portals "communio.de" mit dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn für Aufsehen. Darin mahnte er die deutschen Bischöfe, weiter im Dialog mit dem Vatikan zu bleiben, und schloss sich der römischen Kritik am geplanten Fortgang des deutschen Reformwegs an. Die dabei vorgesehene Beteiligung von Laien an grundlegenden Entscheidungen stehe im Widerspruch zur Verfassung der Kirche. Ähnlich äußerte sich der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper. Beide gelten als einflussreich und gut vernetzt im Vatikan.

Darüber hinaus steht die Frage steht im Raum, wie sich die deutsche Debatte auf die von Papst Franziskus ausgerufene Weltsynode auswirkt, die im Herbst mit einem zweiten Spitzentreffen von Bischöfen und Laien aus allen Kontinenten enden soll. Hierzu gibt es kritische Stimmen etwa aus Afrika, die reformorientierten Kräften in Deutschland und anderen europäischen und nordamerikanischen Ländern vorwerfen, mit ihren Themen die Agenda zu kapern. Beklagt wird unter anderem eine zu starke Konzentration auf einen anderen Umgang mit sexuellen Minderheiten.

Was ist nun geplant?

Der Synodale Ausschuss soll wie vorgesehen zu seiner zweiten Sitzung in Mainz zusammenkommen. Bischof Bätzing betonte zum Auftakt der Vollversammlung, dass der Ausschuss nicht nur den Synodalen Rat vorbereiten solle. Es gehe außerdem darum, beim Synodalen Weg offen gebliebene Fragestellungen zu diskutieren, Vorstellungen von Synodalität in Theologie und Praxis zu entwickeln sowie die sechste und letzte Vollversammlung des Synodalen Weges vorzubereiten. Dieses Treffen ist für 2026 geplant und soll prüfen, wie die Beschlüsse der Initiative bis dahin umgesetzt wurden.

Die deutschen Bischöfe sind außerdem zu Gesprächen im Vatikan verabredet. Konkrete Termine stehen aber offenbar noch nicht fest. Es deutete sich an, dass die Bischöfe dabei eine Mittlerrolle wahrnehmen wollen zwischen Rom und den Laien in Deutschland, die im Zentralkomitee der deutschen Katholiken organisiert sind.

Zum Gradmesser für die Stimmung im Kirchenvolk könnte der bevorstehende Katholikentag vom 28. Mai bis 2. Juni in Erfurt werden. Aktuell herrscht bei vielen Beobachtern der Eindruck vor, dass der 2019 mit viel Euphorie gestartete Dialog zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland auf der Kippe steht.