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Was "Punxsutawney Phil" und die Jungfrau Maria gemeinsam haben

Ein Murmeltier. Foto: Harald Oppitz/KNA
Ein Murmeltier. Foto: Harald Oppitz/KNA

Bonn (KNA) – Gott könne auf krummen Linien gerade schreiben, so heißt es im Volksmund. Und so zieht sich, quer über den Globus und verschlungen durch die Zeiten, eine sehr seltsame Verbindung zwischen der Gottesmutter Maria, die dem Kindbett im Stall entstiegen und dem biblischen Kindermord von Bethlehem entkommen ist, bis zu einem nordamerikanischen Nager aus der Familie der Hörnchen und einem Hollywood-Kassenschlager der 1990er Jahre.

 

Mit der "Darstellung im Tempel" (lat. "Praesentatio Jesu in Templo") erfüllten Maria und Josef damals die jüdischen Gesetzesvorschriften aus dem Buch Leviticus. Für 40 Tage nach der Geburt eines Jungen galt die Frau demnach als unrein. Als Reinigungsopfer hatte sie dann einem Priester ein Schaf und eine Taube zu übergeben. Weniger Wohlhabende wie Maria und Josef brachten zwei Turteltauben dar. Daher hieß das Fest früher auch "Mariä Reinigung" (lat. "Purificatio Mariae").

 

Der erstgeborene Sohn wurde damals, in Erinnerung an den Auszug Israels aus der ägyptischen Sklaverei, als Gottes Eigentum angesehen. Seine Vorstellung im Tempel nahm für Maria theologisch bereits die Rückgabe ihres Sohnes an Gott im Kreuzestod Jesu vorweg; eine alttestamentliche Analogie auch zum Opfer Isaaks durch den Stammvater Abraham. Damit erhielt Maria Anteil an der Eucharistie in jeder Messfeier, wie Papst Johannes Paul II. 2003 in seiner Enzyklika "Ecclesia de Eucharistia" (Kap. 55f.) ausführte.

 

Tatsächlich ist es jenes Element, das Maria in frühchristlicher und orthodoxer Tradition zu einer "jungfräulichen Hohepriesterin" machte - was Pius IX. 1864 in Erinnerung rief und was durch diverse Textquellen und orthodoxe Bilddarstellungen belegt ist. Das Heil, das der greise Simeon im Tempel bei dieser Gelegenheit in dem Säugling Jesus als Messias erkennt und das die Kirche in Simeons Lobgesang "Nunc dimittis" (evangelisches Tageslied für den 2. Februar: "Im Frieden dein, o Herre mein") verarbeitet hat, wurde später mit einer Licht- und Kerzensymbolik verbunden. Daher wird der Tag auch als "Mariä Lichtmess" gefeiert.

 

Schließlich spielt die Zahl 40 sowohl in der christlichen Liturgie wie im Jahreskreis eine wichtige Rolle: 40 Tage verbrachte Jesus in der Wüste und wurde vom Teufel versucht; 40 Tage dauert die Fastenzeit ab Aschermittwoch in Vorbereitung auf das Osterfest. Und so war es früher auch vor Weihnachten: 40 Tage vor Heiligabend, am Fest des heiligen Martin (11. November), war Schlacht- und Pachttag, das Ende des Landwirtschaftsjahres. Bezahlt wurde vielfach in Naturalien - und vor der 40-tägigen Weihnachtsfastenzeit ("Martinsquadragese") noch einmal so kräftig reingehauen wie heute noch an Karneval.

 

Ebenso war auch der 40. Tag nach Weihnachten eine solche Wegmarke, liturgisch wie landwirtschaftlich. Der 2. Februar - bis zur Liturgiereform der 1960er Jahre das Ende der weihnachtlichen Festzeit - war zugleich der Auftakt zum Ackerjahr. Es ging wieder los! Mit der spürbar zunehmenden Tageslänge an "Mariä Lichtmess" sind allerlei Erleichterung und Bauernweisheiten verbunden.

 

So hieß es etwa: "Wenn's an Lichtmess stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit; ist es aber klar und hell, kommt der Lenz noch nicht so schnell." Aus Westfalen ist aus dem Jahr 1859 überliefert: "Wenn der Dachs zu Maria Lichtmeßen, mittags zwischen 11 und 12 Uhr seinen Schatten sieht, so muß er noch vier Wochen in seinem Baue bleiben."

 

Die vielen deutschsprachigen Einwanderer in Pennsylvania/USA, wo es keine Dachse gibt, brauchten einen ähnlichen Winterschläfer als Protagonisten dieser Bauernregel - und sie erkoren das tagaktive, leicht zu beobachtende Waldmurmeltier (lat. Marmota monax), auf Englisch Groundhog oder Whistle-Pig ("Pfeifschwein") genannt.

Das Fest Mariä Lichtmess wurde so in den USA zum "Groundhog Day", oder, wie der Tag in dem auf kurpfälzischen Dialekten basierenden Pennsylvania Dutch heißt: "Grundsau-Daag". Daran, ob die "Grundsau" ihren Schatten sehen kann, entscheidet sich (vermeintlich) die Länge des Winters.

 

Am weitesten treibt den volksfesthaften Murmeltier-Kult in den USA und Kanada der 6.000-Einwohner-Ort Punxsutawney rund 130 Kilometer von Pittsburgh. 1993 wurde das Städtchen Spielort des Hollywood-Klassikers "Und täglich grüßt das Murmeltier", wo ein schlecht gelaunter Wetteransager (Bill Murray) so lange in einer Zeitschleife hängt und immer wieder denselben Tag erlebt, bis er ein besserer Mensch geworden ist.

 

Gut 30 Jahre später, 2024, sind die USA ein tief zerrissenes Land, das vor einem entscheidenden Wahljahr steht. Und womöglich wird sogar das politisch interpretiert werden, was das Murmeltier "Punxsutawney Phil" dem Festkomitee mitteilen wird: ob man nun auf einen baldigen Frühling hoffen darf - oder ob der Winter noch lange weitergehen wird.