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Wir sind heilige und unheilige Kirche zugleich

Rund 60 Teilnehmer diskutierten im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg über Zukunftsszenarien katholischer Theologie. Foto: Bernd Buchner
Rund 60 Teilnehmer diskutierten im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg über Zukunftsszenarien katholischer Theologie. Foto: Bernd Buchner

Nürnberg (buc) – Denken Sie auf Ihre Weise darüber nach, was Sie heute gehört haben.“ Das sagte Josef Wohlmuth, langjähriger Bonner Dogmatikprofessor, zum Abschluss einer hochrangig besetzten Theologenkonferenz, die im Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus (CPH) zu Ehren des nun 85-jährigen Eichstätter Diözesanpriesters veranstaltet wurde. Schon das Thema der Tagung gab zu denken: „Endspiele einer letzten Generation? Zukunftsszenarien katholischer Theologie im 21. Jahrhundert“.

 

Die Aussichten sind nicht rosig, das zeigen schon die Überschriften der Vorträge: Vom „Scheitern auf hohem Niveau“ war da die Rede, oder vom „Schiffbruch mit Zuschauer“. Die Referierenden gehen nicht immer streng wissenschaftlich vor, verbinden akademische Analyse mit biografischen Einstreuungen, Würdigungen des Jubilars und Statements zu aktuellen Entwicklungen. Einleitend fragt der Hildesheimer systematische Theologe René Dausner, ob gegenwärtig eine Theologietradition zu Ende gehe. Die Attraktivität der universitären Theologie nehme überall im deutschsprachigen Raum stark ab. 

 

Diesen Befund unterstützt der Freiburger Fundamentaltheologe Magnus Striet: Die Abbrüche bei den Studierendenzahlen hätten schon weit früher begonnen, „jetzt aber stürzt es dramatisch zusammen“. Die Lehrauslastung der Fakultäten liege bei unter 30 Prozent, „einige arbeiten vermutlich mit getürkten Zahlen“. Striet führt ein großes Panorama an Ursachen an: von der Ignoranz des römischen Lehramts gegenüber den Aufbrüchen nach dem Konzil über die „Kultur der Erwartungslosigkeit“ der Öffentlichkeit gegenüber theologischen Positionen bis hin zur Tatsache, dass Kirche längst nicht mehr als „intellektuell satisfaktionsfähig“ gelte. Der Forscher spricht von einem schmerzhaften Umbauprozess, durch den die Theologischen Fakultäten ihre „Religionsdeutungskompetenz“ wieder stärken sollten. Die universitäre Ansiedlung will Striet beibehalten wissen, warnt mit Blick auf Köln oder Heiligenkreuz vor einer Theologie „unter der Schirmherrschaft von Kardinal Woelki“.

 

Ein entschiedenes Plädoyer für ihre Zunft steuerte die Frankfurter Theologieprofessorin Annette Langner-Pitschmann bei. Nirgendwo als in der Theologie könnten die Voraussetzungen für den Umgang mit der verbreiteten Unübersichtlichkeit besser eingeübt werden, sagt sie und verweist auf ein Wort von Karl Rahner: „Glaube heißt, die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang aushalten.“ Die Münchner Theologin Susanne Sandherr wiederum nähert sich mit dem Wort von Emanuel Levinas „Das Ich ist, vom Scheitel bis zur Sohle, bis in das Mark seiner Knochen, Verwundbarkeit“ der krisenhaften Gegenwart.

 

Dausner skizziert in seinem Vortrag den rapiden Niedergang der Kirchen, verbunden mit einem Echoeffekt der gesellschaftlichen Gefährdungen der Gegenwart. „Der Resonanzraum wird kleiner“, so der Theologe. „Ich würde aber weiterhin darauf hoffen, dass wir etwas zu sagen haben.“ Er nutzt seine Ausführungen auch für aktuelle Bezüge, verurteilt den Hamas-Terror gegen Israel und den grassierenden Antisemitismus: „Dieser ist ein Angriff gegen uns alle.“ Trauer und Angst der Jüdinnen und Juden von heute seien auch Trauer und Angst der Jünger Christi, so Dausner in Abwandlung des berühmten Konzilsdokuments „Gaudium et spes“.

 

Theologie hat nach den Worten des seit kurzem emeritierten Regensburger Dogmatikers Erwin Dirscherl die Aufgabe, Menschen zu bestärken und zu ermutigen. Sie müsse eine verständliche Sprache sprechen und „kritischen Gehorsam“ gegenüber dem Lehramt mit eigenem Gewissen verbinden. „Über Gewissen mit Bischöfen zu diskutieren, ist hoch spannend“, fügt Dirscherl lächelnd hinzu.

 

„Mache dich auf!“

 

Bevor Wohlmuth abschließend zum Nachdenken über das Gehörte aufruft, skizziert er die gegenwärtige Krise aus seiner Sicht: Die Kirche habe zwei Seiten, eine helle und eine dunkle, betont er. „Wir sind nicht nur heilige Kirche, sondern auch unheilige Kirche. Damit müssen wir leben, können wir leben. Wir sind aber befähigt, die Unheiligkeit zu überwinden.“ Die Krise des Glaubens könne bewältigt werden, unterstreicht der Theologe, wenn die Menschen es zulassen würden, „dass der Himmel selbst sich bei ihnen anmelden kann: Mache dich auf!“