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Psychologin: Warum wir Trauer nur in seltenen Fällen "loswerden"

Weinheim (KNA) – Bei der Trauer um einen geliebten Menschen geht es nach Worten der US-Psychologin Mary-Frances O'Connor nicht darum, sie loszuwerden. Dies geschehe nur selten, sagte sie im Interview der Zeitschrift "Psychologie Heute" (Dezember-Ausgabe). Viele Menschen glaubten, "dass die Trauer irgendwann aufhört". Doch sie hole einen immer wieder ein, "vielleicht für immer". Der Wandel zeige sich darin, wie man mit diesen Gefühlen umgehe.

 

Viele Menschen erlebten Trauer als Welle, die immer wieder über sie hinwegrolle. Beim hundertsten Mal merkten die meisten jedoch: "Es fühlt sich immer noch schrecklich an, aber auch schon vertraut". Man habe gelernt, sich zu trösten oder sich Unterstützung zu suchen. Die Hilfe aus dem Umfeld sei "unglaublich wichtig" - auch, um den Alltag neu zu organisieren, betonte die Expertin: Wenn sich etwa der verstorbene Partner über Jahrzehnte um die Finanzen gekümmert habe, müsse dies nun anders bewältigt werden.

 

Die meisten Menschen brauchten dafür allerdings keine Therapie, erklärte O'Connor. Eine Ausnahme bilde die sogenannte anhaltende  Trauerstörung, die weniger als zehn Prozent der Trauernden betreffe. Bei ihnen zeige sich auch nach einem halben oder ganzen Jahr keinerlei Veränderung: "Trauer bedeutet Sehnsucht. Das Gefühl, den verlorenen Menschen unbedingt sehen, hören, riechen und im Arm halten zu wollen. Aber dieser Mensch kommt nicht mehr zurück. Die Sehnsucht bleibt unerfüllt. Und sie scheint bei Menschen, die kompliziert trauern, auch nach Monaten oder Jahren nicht schwächer zu werden." Bei Betroffenen misslinge eine Rückkehr in den Alltag; sie grübelten  und hätten "das Gefühl, ein Stück ihrer Identität verloren zu haben". Trauern sei ein natürlicher Heilungsprozess, erklärte die Forscherin: "Die meisten von uns finden ihren Weg zurück ins Leben. Aber bei manchen verlaufen die Dinge komplizierter." Ihre Studien hätten gezeigt, dass komplizierte Trauer im Gehirn anders verarbeitet werde als "normale" Trauer.

 

Für Betroffene gebe es spezielle Therapieprogramme, erklärte O'Connor. Zugleich sei die Forschung heute davon überzeugt, dass eine Bindung an einen geliebten Verstorbenen bestehen bleibe: "Wir sprechen weiter mit diesem Menschen, wir fragen ihn um Rat". Der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud (1856-1939) habe dies noch für schädlich gehalten: "Diese Ansicht haben wir heute nicht mehr."