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Friedländer: "Das hat nichts mehr mit Menschlichkeit zu tun"

Berlin (KNA) – Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer (101) ist nach eigenem Bekunden vom Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel tief erschüttert. "Menschen bringen Menschen um, weil sie eine andere Religion haben. Gibt es denn das, sind wir nicht alle gleich? Das hat nichts mehr mit Menschlichkeit zu tun", sagte Friedländer am Dienstag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. "Ich bin erschüttert, zutiefst erschüttert. Kinder, Babys, alte Leute einfach umzubringen. Köpfe abzuschneiden. So ein Hass." Von Geburt an seien alle Menschen gleich, ganz unabhängig von Religion, Nationalität oder Kultur. "Jeder Mensch kommt auf dieselbe Art auf die Welt, und so wird es immer sein. Das Baby ist neun Monate im Bauch der Mutter gewesen, sie hat es ernährt, egal ob sie die ganze Zeit koscher oder immer nur Reis gegessen hat", sagte Friedländer.

 

Bei ihren Lesungen über ihr Überleben in der NS-Zeit sei sie in Schulen auch bei muslimischen Kindern und Jugendlichen auf Mitgefühl und Verständnis gestoßen, sagte sie weiter. "Sie haben mich verstanden. Ich sage immer: Stellt euch vor, es ist eure Familie, eure Mutter und euer Vater, ihr kommt mit dem Zug im KZ an - und zwei Minuten später seid ihr keine Familie mehr, das Kleinkind wird weggenommen, die Mutter geht irgendwohin und der Vater woanders - ist das menschlich?" Was passiert sei, dürfe nie wieder passieren - "das ist meine Mission", sagte die Holocaust-Überlebende. Es sei wichtig, dass das Thema Holocaust und Antisemitismus auch im Elternhaus besprochen werde.

 

Es mache ihr zwar keine Angst, wenn in Deutschland jetzt Israel-Fahnen verbrannt würden, so die Zeitzeugin. "Aber ich bin traurig, dass Menschen sich für so etwas hergeben." Persönlich sei sie seit ihrer Rückkehr nach Deutschland nie auf Ablehnung gestoßen. "Manchmal geben Menschen, die ich gar nicht kenne, an der Pforte sogar Blumen für mich ab, einfach so."

 

Friedländer, die am 5. November 102 Jahre alt wird, wurde 1921 in Berlin geboren. Als junge Frau musste sie sich als Jüdin monatelang vor den Nazis verstecken und wurde schließlich doch deportiert. Sie überlebte das KZ Theresienstadt und wanderte mit ihrem Mann nach dem Krieg in die USA aus. Ihre Mutter, ihr Bruder und ihr Vater sowie zahlreiche weitere Verwandte waren von den Nationalsozialisten ermordet worden. Mit 88 Jahren kehrte Friedländer zurück in ihre Geburtsstadt Berlin und veröffentlichte ein Buch über ihre Lebensgeschichte.