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Die rote Seide für Kardinalsgewänder wird knapp

Gabriele Barbiconi, Mitinhaber des Herrenausstatters "Barbiconi" für Priester, vor einem Stoffballen roter Seide für liturgische Kleidung für einen Kardinal. Foto: Francesco Pistilli, KNA
Gabriele Barbiconi, Mitinhaber des Herrenausstatters "Barbiconi" für Priester, vor einem Stoffballen roter Seide für liturgische Kleidung für einen Kardinal. Foto: Francesco Pistilli, KNA

Rom (KNA) – Die Seide macht ihm Sorgen. Im Stockwerk unter dem Verkaufsraum holt Gabriele Barbiconi, Mitinhaber eines Herrenausstatters für Priester in Rom, einen Stoffballen aus dem Regal. Rot glänzt das glatte Material, das sich zwischen den Fingern erstaunlich fest anfühlt, ein bisschen wie Backpapier.

 

Der Stoff sei nicht eingefärbt, sondern aus rotem Seidengarn gewebt, erklärt Barbiconi. Nur wenige Meter kann er derzeit auf dem Markt ergattern. Gerade genug für seine Auftraggeber, die am Samstag einen wichtigen Termin im Petersdom haben. Dort wird Papst Franziskus 21 neue Kardinäle ernennen. Darunter werden auch einige von Barbiconis Kunden sein, die bei der Gelegenheit erstmals ihre neuen, kardinalsroten Gewänder tragen.

 

Über Namen und Zahlen schweigt sich der Geschäftsinhaber aus. Nur so viel: Die meisten sind dem fast 200 Jahre alten Traditionsunternehmen schon lange verbunden, haben sich bereits als Bischof in der Via Santa Caterina da Siena einkleiden lassen.

 

Ganz in der Nähe des Pantheons zeigt das Schaufenster cremefarbene Messgewänder mit goldenen Verzierungen. In kleinen Gruppen treten schwarz gekleidete Männer mit Priesterkragen durch die Glastür und werden von einer Verkäuferin diskret begrüßt. Hinter ihr hängen Kleidungsstücke streng nach liturgischer Farbe sortiert: Rot, Weiß, Violett, Grün. Daneben glänzen polierte Monstranzen und Kelche in Vitrinen.

 

Auch Kardinal Ratzinger kaufte ein

 

Prominentester Kunde war einst Papst Benedikt XVI., verrät Barbiconi dann doch. Er habe sich Gottesdienstgewänder schneidern lassen und schon als Kardinal Joseph Ratzinger die Dienste des Traditionshauses in Anspruch genommen.

 

Doch zurück zu den neuen Kardinälen: Ihre Ausstattung sei im Grunde keine große Herausforderung, sagt der 48-jährige Ladenbesitzer. Das Outfit entspricht dem, was der künftige Kardinal schon als Bischof getragen hat. Wenn da nicht die Farbe wäre.

 

Die wollenen Soutanen und Chorhemden müssen zwingend in einem speziellen Rot leuchten, das fast schon ins Orangene geht, wenn die 21 Neuernannten vor den Papst treten. Gleiches gilt für die Schärpe um den Bauch, das Scheitelkäppchen und das Birett als Hut. Die Farbe steht für die Treue zum Papst bis hin zum Blutvergießen. Das Problem: Die «Accessoires» sind aus Moire-Seide gefertigt - und die ist in Kardinalsrot seit der Corona-Pandemie nur noch schwer zu bekommen. 

 

Ein wichtiger Stofflieferant hat damals geschlossen, wie Barbiconi berichtet. Seitdem könne es bis zu vier Monate dauern, bis die Stoffe geliefert werden. So viel Zeit haben die neuen Kardinäle aber nicht, die von ihrer Ernennung durch den Papst am 9. Juli erfuhren und an diesem Samstag Rot tragen müssen.

 

80 Euro pro Meter kostet die rote Spezialseide mittlerweile, sagt der Geschäftsmann und streicht über den Stoffballen. In den niedrigen Räumen im Untergeschoss sitzt eine Mitarbeiterin an einer pistaziengrünen Nähmaschine, die nach 19. Jahrhundert aussieht. Ein hauchdünner roter Faden blitzt festgespannt zwischen Spule und Nähfuß.

 

Etwa 2.000 Euro müssen neue Kardinäle für ihre Garderobe rechnen - Accessoires noch nicht einkalkuliert. Wirtschaftlich lohnen sich die Aufträge kaum, wie Barbiconi andeutet. Wichtiger sei die persönliche Beziehung. «Für uns ist ein Kardinal quasi ein Freund. Aus der Wahl, wo man seine Kleidung machen lässt, erwächst auch eine gewisse Verbundenheit.» Es sei etwas Besonderes, wenn ein Kunde Kardinal wird, der schon als Priester in den Laden gekommen ist.

 

Enger Zeitrahmen

 

Eine zweite Herausforderung ist der enge Zeitrahmen. Die neuen Kardinäle kommen aus vielen Enden der Erde. Der letzte seiner Auftraggeber sei erst Ende August zum Maßnehmen in Rom gewesen, sagt Barbiconi. Seine Schneider haben jetzt ziemlich genau einen Monat Zeit, um die bestellten Garderoben zu fertigen. Anders als bei Priestern wird die Ausstattung eines Kardinals vollständig von Hand hergestellt. Wegen der geringen Mengen würde eine Massenproduktion in Kardinalsrot auch kaum lohnen.

 

Um rechtzeitig fertig zu werden, kümmern sich bei Barbiconi in den kommenden Wochen drei Schneiderinnen und Schneider um kaum etwas anderes als die Kardinalskleider. Der letzte Auftraggeber wird seine Ausstattung am Freitag (29. September erhalten), am Tag vor der Zeremonie.

 

In der Regel findet eine letzte Anprobe im Laden statt, wie der Inhaber verrät. Manche Würdenträger kämen allein und handelten den Termin kurz und knapp ab. Andere brächten befreundete Priester oder ihren Sekretär mit und machten Erinnerungs-Selfies in ihren ersten kardinalsroten Outfits. Barbiconi zuckt gelassen mit den Schultern: «Es sind eben Menschen.»

Von Anita Hirschbeck (KNA)