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„Einfach und verlässlich, das genügt.“

Paderborn – Die Macht in der Kirche ist seit Jahren ein heiß diskutiertes Thema, oft im Zusammenhang mit Missbrauch. Im Juni erschien dazu ein Buch von Gemeinde- und Pastoralreferentinnen. Schon im ­vergangenen Jahr veröffentlichte der Paderborner Pastoraltheologe Herbert Haslinger ein Buch dazu.  Claudia Auffenberg von der Paderborner Kirchenzeitung „Der Dom“ sprach mit ihm über das Thema.


Herr Professor Haslinger, der letzte Satz in Ihrem Buch lautet: „Das Spiel der Macht ist vorbei“. Das klingt, als beschrieben Sie das Ende der verfassten Kirche und als täte Ihnen das nicht besonders leid. Täuscht der Eindruck?
Haslinger: Das Ende der verfassten Kirche meine ich damit nicht, aber dass ein bestimmter Mechanismus, eine bestimmte Art des Funktionierens dieser Kirche am Ende ist, das glaube ich. Man hat in der Tat mit der Macht gespielt und das so selbstverständlich, dass man es gar nicht mehr bewusst realisiert hat.

Und wie haben Sie das realisiert?
Haslinger: Durch meine eigenen lebensgeschichtlichen Erfahrungen. Für mich ist die Machtfrage nicht erst akut geworden durch die Missbrauchsfälle und die Diskussionen darüber. Seit fünf Jahrzehnten bewege ich mich mit unterschiedlichen Rollen und Funktionen im System Kirche und nach so langer Zeit wird es einem in verschiedenen Varianten bewusst.
In meiner Jugendzeit war ich in katholischen Internaten, wo es viele Machtformen gab. Im Laufe der Zeit habe ich auch den Druck bemerkt, nicht darüber reden zu können. Ein Beispiel, das mir erst später aufgegangen ist: 1994 erschien das Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ von Johannes Paul II.. Darin verneint er die Priesterweihe für Frauen und zugleich das Reden darüber. Ich hatte damals gerade meine Doktorarbeit fertiggestellt und überlegte, wie ich in dieser Kirche Stand gewinnen könnte. Es war sonnenklar, dass ich dieses Thema nicht bearbeiten darf. Aber es war eher ein intuitives Wissen: Da darfst du nicht ran, weil es dir schaden wird. So hat das Spiel der Macht funktioniert und das – so meine ich – ist jetzt vorbei.

Und das macht Sie nicht traurig?
Haslinger: Nein, das macht mich nicht traurig, im Gegenteil. Wir müssen sehr froh sein, dass solche Mechanismen vorbei sind. Denn über Jahre, Jahrhunderte hinweg haben Leute darunter gelitten – auch wenn sie es nicht thematisiert oder für sich reflektiert haben. Was haben Frauen unter einer Sexualmoral gelitten, die von Männern geprägt war und von einem bestimmten Rollenmuster zwischen Männern und Frauen.
Nehmen Sie etwa die bekannte Rede von den ehelichen Pflichten, denen sich niemand entziehen dürfe. Wenn man bedenkt, was sich dahinter verbirgt an Druck, an Zwang, an Ausblendung schlimmer Erfahrungen, dann weiß man, dass selbst die, die darüber nicht gesprochen haben, drunter litten. Es ist gut, dass das jetzt benannt werden kann.

Macht und Machtmissbrauch sind derzeit in der Kirche große Themen: Wie konnte es eigentlich so weit kommen? Jesus selbst ist doch das Paradebeispiel des Ohnmächtigen und im Magnifikat singt Maria von einem Gott, der die Mächtigen vom Thron stürzt.
Haslinger: Wir dürfen nicht naiv sein und meinen, dass es irgendwann mal eine Kirche gegeben habe, die das Vorbild Jesu verwirklicht, ideal und fehlerfrei. In der Apostelgeschichte lesen wir die Geschichte von der Einsetzung der „Sieben“ (Apg 6,1-7). Erzählt wird ein Streit zwischen den „Hellenisten“ und den „Hebräern“. Gemeint sind damit griechisch sprechende beziehungsweise aramäisch sprechende Judenchristen. Die Hebräer stellten die Gemeindeleiter, die Hellenisten wurden bei der Versorgung vernachlässigt. Die Lösung war, dass sich die Gemeinde im Prinzip geteilt und sieben Männer ausgewählt hat, die sich um die Versorgung der Hellenisten kümmern sollten. Das war also schon in der frühen Kirche ein Konflikt, bei dem es letztlich um Macht ging.  …

Das ausführliche Interview lesen Sie in der Ausgabe 36 vom 3. September 2023