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Pflegereform von Bundestag verabschiedet

Berlin (KNA) - Der Bundestag hat am Freitag eine weitere Pflegereform beschlossen. Das Gesetz sieht insbesondere vor, Pflegebedürftige und deren Familien finanziell zu entlasten. Aus Sicht der Opposition ist das allerdings viel zu wenig. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) gibt einen Überblick über wichtige Bestandteile des Gesetzentwurfs.

 
Was bedeutet die Reform für die Beitragszahler?
Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung wird zum 1. Juli um 0,35 Prozentpunkte angehoben. Bei Mitgliedern mit einem Kind gilt künftig ein Beitragssatz von 3,4 Prozent. Kinderlose Mitglieder zahlen 4 Prozent. Das Bundesverfassungsgericht hatte zudem den Gesetzgeber im April 2022 verpflichtet, den gehobenen Erziehungsaufwand von Eltern mit mehreren Kindern bei den Beiträgen zu berücksichtigen. Ab zwei Kindern wird der Beitrag während der Erziehungsphase bis zum 25. Lebensjahr um 0,25 Beitragssatzpunkte je Kind bis zum fünften Kind weiter abgesenkt. Nach der jeweiligen Erziehungsphase entfällt der Abschlag wieder.

Wie viel Geld spült das der Pflegeversicherung in die Kasse?
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bezifferte die Mehreinnahmen auf rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr. Vier Milliarden Euro sollen in Leistungsverbesserungen fließen. Zugleich muss das Defizit der Versicherung ausgeglichen werden. Zum Jahresende 2022 hatte die Pflegeversicherung nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes ein Defizit von rund 2,2 Milliarden Euro. Für das laufende Jahr wird ein weiterer Fehlbetrag von drei Milliarden Euro erwartet. Zugleich sieht der Gesetzentwurf vor, dass künftig bei einem kurzfristigen Finanzbedarf der Pflegeversicherung die Bundesregierung unter bestimmten Voraussetzungen die Beiträge per Rechtsverordnung erhöhen kann.

Welche Leistungsverbesserungen sind für Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen geplant?
Zum 1. Januar 2024 werden die Zuschläge, die die Pflegekasse an die Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen zahlt, erhöht. Die Sätze werden für das erste Jahr Verweildauer von 5 auf 15 Prozent, von 25 auf 30 Prozent bei ein bis zwei Jahren, von 45 auf 50 Prozent bei zwei bis drei Jahren und von 70 auf 75 Prozent bei mehr als drei Jahren angehoben. Die Regierung reagiert damit auf die stark steigende Eigenbeteiligung der Bewohner von Heimen. Mehr als ein Drittel von ihnen ist deshalb bereits in die Sozialhilfe gerutscht.

Eine große Baustelle ist auch die ambulante Pflege. Was ist für Personen vorgesehen, die in den eigenen vier Wänden leben und von Angehörigen gepflegt werden?
Um die häusliche Pflege zu stärken, wird das Pflegegeld zum 1. Januar 2024 um 5 Prozent erhöht. Die für 2025 zugesagte Dynamisierung dieser Leistung wird allerdings von fünf auf 4,5 Prozent verringert. Außerdem kommt das sogenannte Entlastungsbudget nun doch - allerdings erst im Juli 2025. Dann können Betroffene und ihre Angehörigen die Leistungen der Verhinderungspflege (bisher bis zu 1.612 Euro) und Kurzzeitpflege (bis zu 1.774 Euro) flexibel kombinieren und Leistungen im Umfang von 3.539 Euro unbürokratisch nutzen. So können sie etwa leichter eine Auszeit nehmen, währenddessen die Pflege sichergestellt ist. Für Eltern von pflegebedürftigen Kindern mit Pflegegrad 4 oder 5 steht dieses Entlastungsbudget schon ab dem 01. Januar 2024 in Höhe von 3.386 Euro zur Verfügung und steigt bis zum Juli 2025 auch auf 3.539 Euro an. Außerdem kann das Pflegeunterstützungsgeld ab 2024 von Angehörigen künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden und ist nicht mehr beschränkt auf einmalig insgesamt zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person.

Gibt es sonst noch wichtige Verbesserungen?
Die Modellvorhaben zur Förderung von Unterstützungsmaßnahmen für Pflege im Quartier sind wieder in das Gesetz aufgenommen. Auch sollen Fördermaßnahmen für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege, insbesondere für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, weiter laufen. Vorgesehen ist ferner ein Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege. Das Förderprogramm für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen im Volumen von rund 300 Millionen Euro soll ausgeweitet und bis Ende des Jahrzehnts verlängert werden.

Reicht diese Reform auf absehbare Zeit aus?
Nein, Kritiker sprechen von einem Reförmchen, das lediglich auf kurzfristige Bedürfnisse reagiert. Auch Lauterbach und Vertreter der Ampelkoalition räumten im Bundestag ein, dass für die langfristige Sicherung der Pflegeversicherung grundlegende Entscheidungen notwendig sind. „Wir sind, was die langfristige Finanzierung angeht, an einem Wendepunkt“, sagte der Minister kürzlich. „Das System kann man nicht dauerhaft so weiter ausbauen, wie wir es gemacht haben. Es muss anders werden.“

Was müsste entschieden werden?
Angesichts der Alterung der Gesellschaft und steigender Personalkosten muss deutlich mehr Geld ins System fließen. Das kann etwa durch mehr Steuergelder, höhere Beiträge oder mehr private Vorsorge geschehen. Grüne und SPD sprechen sich seit langem für eine einheitliche Bürgerversicherung aus, in die alle gleichermaßen einzahlen. Außerdem sollten alle Einkommensarten berücksichtigt werden. Vertreter aller Fraktionen betonten am Freitag, dass den Kommunen bei der künftigen Pflege eine große Bedeutung zukomme. Sie könnten durch Pflege- und Hilfsnetzwerke, Pflegestützpunkte oder den Einsatz von Community Health Nurses dafür sorgen, dass Menschen möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden bleiben könnten.